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Thüringen"
Gehaus mit
Dermbach und Unteralba (Stadt
Stadtlengsfeld, Wartburgkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Gehaus bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 17. Jahrhunderts
zurück, als durch die Freiherren von Boyneburg 1695 acht jüdische
Familien aufnahmen. Bis 1735 blieb es bei der Zahl von acht Familien. 1745
wurde Juda Eberst (Eberscht, Eberstadt) in Gehaus geboren, der Großvater des
späteren Komponisten Jaques Offenbach. 1765 gab es die folgenden
jüdischen Familien am Ort (nach den Familienvorstehern): Salomon Levi, Moses
Levi, Abraham Levi, Esau Levi, Abraham Meyer, Sabel Simon, Moses Meyer, Herz
Levi Abraham Bacharach, Baruch Süßmann, dazu die Familien des Josef Meyer,
Josef Feiffel, Heßkel Moses sowie die Witwe Buchbinderin Riffge; letztere
durften sich "aus besonderer Gnade des Schutzes durch die Freiherrn
erfreuen".
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1826 248 jüdische Einwohner (in 64 Familien; knapp ein Drittel der
Ortsbevölkerung), 1848 70 jüdische Familien, 1861 213 jüdische Einwohner, 1895 63,
1910 36, 1913
42, 1920 41. Nach 1840 verlor die Gemeinde einen größeren Teil ihrer
Mitglieder durch die Auswanderung nach Nordamerika, später durch Abwanderung in
die Städte. Die jüdischen Familien lebten zunächst vom Hausier-, Kramwaren-
und Viehhandel, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es
mehrere offene Ladengeschäfte am Ort, aber auch jüdische Handwerker
(Schuhmachermeister) und kleine Industriebetriebe
(Korkindustrie).
Zur jüdischen Gemeinde Gehaus gehörten auch die in Dermbach
(1924 15, 1932 11) und Unteralba (1932 6)
lebenden jüdischen Personen.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(zeitweise jüdische Elementarschule mit bis zu 50 Schülerinnen und Schülern
[um 1830]; ab 1867 war die jüdische Schule integriert in die örtliche
Simultanschule; ehemaliges jüdisches Schulhaus mit Lehrerwohnung ist als
Wohnhaus erhalten, jetzt Hauptstraße Nr. 123),
ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer angestellt (in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts zeitweise zugleich Lehrer an der Simultanschule), der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten). Die Zahl der jüdischen
Schülerinnen und Schüler ging in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
stark zurück: 1895 waren von den 152 Schulkindern nur noch elf aus der
jüdischen Gemeinde; dennoch blieb die Simultanschule bis März 1933 bestehen. Die Gemeinde gehörte zum
Landrabbinat "Sachsen-Weimar-Eisenach" mit Sitz in Stadtlengsfeld,
seit 1912 in Eisenach.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Leopold Wachtel
(geb. 4.3.1898 in Gehaus, vor 1914 in Erfurt wohnhaft, gef.
28.7.1915).
Um 1924, als zur Gemeinde von 39 Personen gehörten (4,8 % von insgesamt etwa
800 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Meyer Nußbaum, Siegmund Kahn. Der
Repräsentanz gehörten an: Nathan Cahn, Meyer Rosenthal, Sally Cahn und Sally
Weil. Als Lehrer, Kantor und Schochet war Siegmund Kahn tätig. Er erteilte im
Schuljahr 1924/25 sechs jüdischen Kindern den Religionsunterricht. An
jüdischen Vereinen bestand der Israelitische Frauenverein (gegründet
1884, 1924/32 unter Leitung
von Henriette Rehbock mit 15 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet:
Unterstützung Hilfsbedürftiger).
1932 wurden 23 jüdische Gemeindeglieder (in elf Familien) gezählt. Die
Gemeindevorsteher waren nun Sally Cahn (1. Vors.; er blieb der letzte jüdische
Gemeindevorsteher), Sigmund Kahn (2. Vor.) und
Thilo Nußbaum in Dermbach (3. Vors.). Als Lehrer war weiterhin Siegmund Kohn
tätig; er hatte im Schuljahr 1932/33 nur noch einem jüdischen Kind der
Gemeinde den Religionsunterricht zu erteilen. An jüdischen Geschäften
am Ort waren noch vorhanden: Industriewarenladen (auch Fahrräder, Lampen und
Radios) mit Tankstelle Sally Cahn, Kolonialwarengeschäft Nathan Cahn,
Textilgeschäft Anton Lichtenstädter, Kolonialwarengeschäft Meyer Rehbock
(gest. 1928), Fell- und Kramwarenhandel Martha Gottgetreu, Getreide- und
Futtermittelgeschäft Sally Weil, Viehhandlung und Landwirtschaft Josef Wachtel,
Metzgerei Jakob Nußbaum (bis 1925, Mittlere Straße 31, Gebäude wurde
abgebrochen), Gastwirtschaft "Zum Adler" Meier
Rosenthal.
In Dermbach gab es zwei jüdische
Geschäfte: das Haushaltwarengeschäft von Felix Nußbaum und das
Textilwarengeschäft von Thilo Nußbaum. Bis 1928 gab es am Dermbacher Markt
noch das Schuhgeschäft der Familie Richheimer, die jedoch in diesem Jahr nach Unteralba
umgesiedelt ist.
1933 lebten noch etwa 25 bis 35 jüdische Personen in Gehaus (in 13
Familien; die Angaben schwanken in der verschiedenen Darstellungen).
In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. An ihrem Heimatort
verstorben noch Ida Gottgetreu, Nathan Cahn, Josef Wachtel, Emilie Wachtel und
Rebekka Cahn. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge demoliert (s.u.); auch ein jüdisches Geschäft
(Industriewarenladen von Sally Cahn) und mehrere jüdische Wohlhäuser wurden
demoliert. Die alleinstehende Lene Nußbaum wurde misshandelt. Jüdische Männer
wurden verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt (Sally Cahn und der
Landwirt Siegmar Nußbaum). Bis Ende 1938 wurden alle jüdischen Geschäfte
"arisiert". Sally Cahn, der 1941 in
Erfurt lebte, wurde wegen "Spionageverdacht" verhaftet und am 14.
Januar 1942 im KZ erschossen. Im Mai 1942 wurden die letzten jüdischen
Einwohner (Lene Klüger mit ihrem Sohn Lothar, Sophie Nußbaum und Martha
Gottgetreu) in Gehaus verhaftet und in das Ghetto Theresienstadt
verbracht.
Von den in Gehaus geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Minna Appel geb. Cahn
(1885), Paula Blaulicht geb. Rosenthal (1893), Nathan Cahn (1872), Rosa Cahn
geb. Wachtel (1888), Sally Cahn (1858), Sally Cahn (1884), Sigmund Cahn (1874),
Nathan Cohn (1872), Johanna Marianne Dreifuß geb. Eppstein (1854), Lilly
Ehrlich (1872), Meta Freimark geb. Löwenstein (1873), Hugo Gottgetreu (1878),
Martha Gottgetreu (1890), Renate Hahn geb. Tannenbaum (1889), Rosa Hobbach geb.
Cahn (1895), Johanna Israel geb. Gottgetreu (1886), Selma Kahn geb. Hofmann
(1901, Frau von Lehrer Siegmund Kahn), Siegmund Kahn (1877), Bertha Katzenstein geb.
Ehrlich (1862), Martha Kaufmann geb. Wachtel (1885), Helene Klueger geb.
Rosenthal (1898), Lother Klueger (1927), Ida Lastmann geb. Wachtel (1897),
Helene Nussbaum (1893), Johanna Nussbaum geb. Baumgart (1867), Sophie Nussbaum
geb. Wachtel (1879), Adolf Rehbock (1886), Henriette Rehbock geb. Hauer (1850),
Siegfried Rehbock (1884), Ruth Rebekka Stein geb. Cahn (1914), Therese
Tannenbaum geb. Baumgart (1854).
Aus Dermbach ist umgekommen: Johanna Nussbaum geb. Baumgart (geb. 1867 in
Gehaus, wohnte später in Dermbach).
Hinweis: an die früheren jüdischen Familien in Dermbach erinnert seit
2018 auf dem alten Friedhof der Gemeinde ein Gedenkstein. Er war auf
Initiative des Ortschronisten Hans Peter Mötzung mit Hilfe von Spendengeldern
erstellt worden. Im Februar 2022 wurde der Gedenkstein zerstört (vgl.
Presseartikel inSüdthüringen.de vom 7.2.2022 ).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876 /
1877
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. Februar 1876: "Gesucht
ein seminaristisch-gebildeter israelitischer Lehrer für die 3.
(israelitische) Lehrerstelle an der 3-klassigen Ortsschule (Simultanschule)
in Gehaus, Sachsen-Weimar. Staatsstelle. Anfangsgehalt 850 Mark inklusive
freundlicher Dienstwohnung (50 Mark) und großem Hausgarten; nach 5 Jahren
940, nach 10 Jahren 1039, nach 15 Jahren 1150 Mark. Anrechnung der im
Ausland verbrachten Dienstjahre. Vorbeterdienst.
Außer dem israelitischen Religionsunterricht, Rechnen, Schreiben,
Geographie oder Naturgeschichte, womöglich Zeichnen, in allen 3
Simultanklassen.
Bewerbungen nebst Zeugnissen und Angabe der Dienstbehörde an
R. Stier, Bezirksschulinspektor in Dermbach." |
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Anzeige in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Februar 1876.
Die Ausschreibung wurde zeitgleich in der konservativ-orthodoxen
Zeitschrift "Der Israelit" (s.o.) wie auch in der
liberal-geprägten "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
veröffentlicht. |
|
Ein Jahr später erfolgte wiederum eine
Ausschreibung der Stelle, da der 1876 eingestellte Lehrer nach nur einem
Jahr an eine höhere Lehranstalt in Hamburg wechselte. |
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. März 1877: "Gesucht
ein seminaristisch gebildeter israelitischer Lehrer für die 3.
(israelitische) Lehrerstelle an der 3-klassigen Ortsschule
(Simultanschule) in Gehaus, Sachsen-Weimar. Staatsstelle. Anfangsgehalt
850 Mark, inklusive freundlicher Dienstwohnung (50 Mark) und großem
Hausgarten; nach 5 Jahren 940, nach 10 Jahren 1030, nach 15 Jahren 1150
Mark. Vorbeterdienst mit der Stelle verbunden. Anrechnung der im Auslande
verbrachten Dienstjahre zu erwarten. Außer dem israelitischen
Religionsunterricht (8 Stunden) Rechnen, Schreiben, Realien in der 1. und
2. Simultanklasse, im Ganzen 26-28 Stunden wöchentlich. Der bisherige
Lehrer geht an eine höhere Lehranstalt in Hamburg. Bewerbungen nebst
Zeugnissen und Angabe der Dienstbehörde an den Großherzoglichen
Bezirks-Schulinspektor in Dermbach." |
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Die Lehrerstelle war offensichtlich nicht
leicht zu besetzen, da in den folgenden Monaten - noch bis September -
Anzeigen mit der Ausschreibung der Lehrerstelle veröffentlicht
wurden: |
Anzeige in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. Mai 1877: "Gesucht
ein seminaristisch gebildeter israelitischer Lehrer für die 3.
(israelitische) Lehrerstelle an der 3-klassigen Ortsschule
(Simultanschule) in Gehaus, Sachsen-Weimar. Staatsstelle. Anfangsgehalt
850 Mark, inklusive freundlicher Dienstwohnung (50 Mark) und großem
Hausgarten; nach 5 Jahren 940, nach 10 Jahren 1030, nach 15 Jahren 1150
Mark. Vorbeterdienst mit der Stelle verbunden. Anrechnung der im Auslande
verbrachten Dienstjahre zu erwarten. Außer dem israelitischen
Religionsunterricht (8 Stunden) Rechnen, Schreiben, Realien in der 1. und
2. Simultanklasse, im Ganzen 26-28 Stunden wöchentlich. Der bisherige
Lehrer geht an eine höhere Lehranstalt in Hamburg. Bewerbungen nebst
Zeugnissen und Angabe der Dienstbehörde an den Großherzoglichen
Bezirks-Schulinspektor in Dermbach. Stier" |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 5. September 1877: "Gesucht
ein seminaristisch gebildeter israelitischer Lehrer für die 3.
(israelitische) Lehrerstelle an der 3-klassigen Ortsschule
(Simultanschule) in Gehaus, Sachsen-Weimar. Staatsstelle. Anfangsgehalt
850 Mark, inklusive freundlicher Dienstwohnung (50 Mark) und großem
Hausgarten; nach 5 Jahren 940, nach 10 Jahren 1030, nach 15 Jahren 1150
Mark. Vorbeterdienst mit der Stelle verbunden. Anrechnung der im Auslande
verbrachten Dienstjahre zu erwarten. Außer dem israelitischen
Religionsunterricht (8 Stunden) Rechnen, Schreiben, Realien in der 1. und
2. Simultanklasse, im Ganzen 26-28 Stunden wöchentlich. Der bisherige
Lehrer geht an eine höhere Lehranstalt in Hamburg. Bewerbungen nebst
Zeugnissen und Angabe der Orts- und Kreisschulaufsicht an den
Großherzoglichen Bezirks-Schulinspektor in Dermbach. Stier." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. September 1877:
Wiederum erschien die Anzeige auch in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" |
Zum Abschied des in den Ruhestand
tretenden Lehrers A. Heilbrunn (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni
1903: "Geisa, im Mai (1903). Dem nach langjähriger gesegneter
Berufsarbeit in den Ruhestand tretenden Lehrer A. Heilbrunn weihte die
israelitische Gemeinde Gehaus im Großherzogtum Weimar am 24. Mai
dieses Jahres eine synagogale Feier, bei welcher die warm empfundenen
Worte des großherzoglichen Landrabbiners Dr. Wiesen, das festlich
geschmückte Gotteshaus, die Anwesenheit der gesamten jüdischen und eines
großen Teiles der christlichen Bevölkerung, des Ortspfarrers und
Ortschulvorstandes Zeugnis davon ablegten, welch herrliche Früchte das
vorbildliche Wirken dieses treuen Lehrers gezeitigt. Möge ihm ein
segensreicher Lebensabend beschieden sein." |
Suchanzeige nach Lehrer Siegmund Kahn und seiner Frau
Selma Kahn geb. Hofmann (1945)
Anmerkung: 1945 recherchierte die Tochter Edith Baum geb. Kahn über die
amerikanisch-jüdische Zeitschrift "Der Aufbau" nach ihren
Eltern.
Nach Informationen von Elisabeth Böhrer vom Juni 2017, die auf diese Anzeige
aufmerksam machte, wurden Siegmund und Selma Kahn, nachdem sie zuletzt in
Berlin, Prenzlauer Berg (Berlin NO 55, Rastenburgerstraße 17) gewohnt hatten,
von dort aus deportiert: Siegmund Kahn (geb.am 15. Januar 1877 in Aschenhausen)
wurde am 2. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet; Selma Kahn geb. Hofmann
(geb. am 31. Januar 1901 in Kleinbardorf) wurde am 12. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und
ermordet.
Anzeige
in der Zeitschrift "Aufbau" vom 16. November 1945: "Wer
kann Auskunft geben über meine Eltern
Siegmund Kahn, Oberlehrer in Gehaus, Rhön, Selma Kahn geb.
Hofmann,
zuletzt wohnhaft in Berlin NO 55 Rastenburgerstraße 17, deportiert Anfang
März 1943.
Unkosten werden vergütet. Edith Baum geb. Kahn, 50 Kenwood Street,
Brooklin-Boston, Mass." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Vorschlag zur Gründung eines Unterstützungsvereins für
die christlichen und jüdischen Ortsarmen (1847)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März
1847: "Aus dem Weimarischen, im März (1847). Der jüdische
Vorsteher von Gehaus im Weimarschen stellte vor einiger Zeit den Antrag
zur Gründung eines Unterstützungsvereins für die christlichen und
jüdischen Ortsarmen. Er verband sich zu diesem Zweck mit mehreren
Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und brachte eine Vereinigung zustande,
aus deren verhältnismäßig freigebigen Monatsbeiträgen nun die
christlichen Armen ebenso, wie die jüdischen unterstützt
werden." |
Urteil gegen den Holzhauer Johann Trender auf Grund
seines Überfalls auf das Haus eines jüdischen Getreidehändlers in Gehaus
(1894)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. August
1894: "(Stadt-)Lengsfeld, 28. Juli (1894). Der Holzhauer Johann
Trender war vom Schöffengericht in (Stadt-)Lengsfeld zu einer Woche Gefängnis
verurteilt worden, weil er es nachgewiesenermaßen gewesen war, der am
Abend des 4. März dieses Jahres einem jüdischen Getreidehändler in
Gehaus ohne irgendwelche Veranlassung zwei Fensterscheiden eingeschlagen
hatte. Trender legte gegen dieses Urteil Berufung ein, über welche das
Landgericht in Eisenach vor Kurzem verhandelte. Staatsanwalt Blüher
führte aus, dass nach den seinerzeit angestellten Ermittlungen zweifellos
konstatiert worden sei, dass kein Anderer als Trender derjenige gewesen,
der die Sachbeschädigung ausgeführt habe. Es sei in letzterer Zeit
überhaupt des öfteren vorgekommen, dass jüdischen Einwohnern in Gehaus
von Leuten, welche jedenfalls durch die antisemitische Bewegung aufgehetzt
worden sind, die Fenster eingeworfen wurden. Man sei sogar so weit
gegangen, dass man Grabsteine auf dem jüdischen Friedhofe zerschlagen habe.
Derartige Schandtaten könnten nicht genug geahndet werden! Habe
man nun bei den vielfachen Bubenstreichen gerade einen der Übeltäter
erwischt, so müsse dieser denn auch gehörig bestraft werden. Er
beantragte daher, die Berufung als vollständig unbegründet zu verwerfen.
Der Gerichtshof entschied im Sinne der Ausführungen des Staatsanwaltes
und verwarf die Berufung." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. August 1894: derselbe Text wie oben. |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst (erste Hälfte des 18. Jahrhunderts) wurden zur Abhaltung von
Gottesdiensten Beträume in jüdischen Häusern eingerichtet.
Nach 1840 wurde eine neue Synagoge auf einem Grundstück der Freiherren
von Boyneburg erstellt. Sie war Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens bis
nach 1933.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
durch SA-Leute aus Dermbach und Nationalsozialsten aus Gehaus überfallen und
geschändet. Die Inneneinrichtung und die Kultgegenstände wurden demoliert,
Bücher zerrissen, Türen und die Fenster eingeschlagen. Auf Grund der
Gefährdung der Nachbarhäuser wurde das Gebäude nicht angezündet. Wenig
später wurde das Grundstück an ein örtliches Baugeschäft verkauft.
Nach 1945 kam nach Klärung des Restitutionsverfahrens die ehemalige Synagoge
und das Grundstück an ein örtliches Polstergeschäft und wurde als Werkstatt
verwendet, bis das Gebäude durch einen Brand am 9. Juni 1975 vernichtet wurde.
Die Brandruine wurde abgebrochen. Auf dem
Grundstück wurde ein Wohn- und Geschäftshaus erstellt.
Adresse/Standort der Synagoge: Mittlere
Straße 22 (ehem. Mittelgasse)
Fotos
(Fotos: Hahn; Aufnahmen vom 27.6.2011)
Hinweis: Fotos zur
jüdischen Geschichte in Gehaus finden sich vor allem in der
Website
von Helmut Hehl, darunter Fotos der ehemaligen jüdischen Schule, des
Hauses der
Familie Rehbock und weitere Fotos des jüdischen
Friedhofes. |
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Haus der jüdischen Schule |
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Das Gebäude mit Giebel
zur Straße |
Seitliche Ansicht |
Hinweistafel |
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Informationstafel der
Gemeinde Gehaus |
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Ein Rundweg um den Ort
führt
auch zum jüdischen Friedhof |
Bei den Angaben
zur Geschichte des Ortes
wird auch die jüdische Geschichte
mehrfach berücksichtigt |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Gerstung / Heinz Kleber: Chronik
jüdischen Lebens in Gehaus. In: Hans Nothnagel
(Hrsg.): Juden in Südthüringen - geschützt und gejagt. Band 5: Jüdische
Gemeinden in der Vorderrhön. Suhl 1999 S. 128-150. |
| Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen. Berlin 1992. S. 270. |
| Ralf Pasch: Dermbach 1938 (Als die Nußbaums Haus
und Heimat verloren). In: Hans Nothnagel (Hrsg.) wie oben. S. 151-155. |
| Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link). Zu Gehaus: S. 121-125. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt am Main 2003. S. 330. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Gehaus,
Thuringia. Jews settled in Gewhaus in the early 18th century. A Jewish cemetery
existed from 1730, a synagogue from 1884. The Jewish population reached a peak
at 50 in 1900, when a Jewish community was founded. In 1932-33, the Jewish
population numbered 40, including Jews from the affiliated communities of
Dermbach and Unteralba. When the Nazis came to power in 1933, 11 Jews managed to
emigrate. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue and Jewish
stores were vandalized. The cemetery was also desecrated. The head of the Jewish
community was executed in Erfurt for alleged espionage. The remaining three to
four Jews were deported. Altogether, 14 Jews from Gehaus perished in the
Holocaust.
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