Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Unterriedenberg (Kreis Bad Kissingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer        
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)       
    
In Unterriedenberg bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht mindestens in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Die jüdischen Familien wurden von der Herrschaft Sterpferts im Römershag aufgenommen. 1763 wurden 12 jüdische Familien am Ort gezählt. 
  
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1867 84 jüdische Einwohner (28,2 % von 298), 1890 61 (23,2 % von 263), 1900 71 (28,0 % von 254), 1910 46 (17,2 % von 267), 1925 34 (14,3 % von 237). 
  
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Unterriedenberg auf insgesamt 12 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Victor Machol Engel (Viehhandel), Bonum Maier Engelhard (Viehhandel), Abraham Schlom Goldbach (Schmusen und Taglohn), Victor Joseph Nusbaum (Schmusen und Taglohn), Moses Wolf Hahn (Schmusen und Taglohn), Knebel Simon Sitzmann (Schmusen und Taglohn), Hirsch Maier Engelhard (Schmusen und Taglohn), Victor Gerst Strauß (Schnittwarenhandel), Mindel Mantel (Schnittwarenhandel), Mindel, Witwe von Joseph Edelstein (Kramwarenhandel), Jend Hirsch Hecht (Viehhandel), Salomon Victor Heß (Viehhandel).     
  
Die jüdischen Familien lebten auch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts vor allem vom Viehhandel, einige eröffneten Geschäfte am Ort (s.u. Anzeige des Schnitt-, Eisen- und Spezereiwaren-Geschäftes von Viktor Sitzmann 1893). 
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule mit Lehrerwohnung und ein rituelles Bad (1909 renoviert). Die Toten der Gemeinde wurde auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen, seit 1911 in Geroda beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibung der Stelle unten 1876). Als Lehrer werden genannt: bis 1901 Emanuel Levi (danach in Willmars). Die jüdische Gemeinde gehörte von 1840 bis 1892/93 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld, danach zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen.  
  
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Gefreiter Nathan Goldbach (geb. 6.6.1890 in Oberriedenberg, gef. 26.8.1914), Gustav Sitzmann (geb. 12.12.1895 in Unterriedenberg, gef. 20.3.1916) und Meier (Maier) Sitzmann (geb. 25.9.1894 in Unterriedenberg, gef. 4.6.1917). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen beider Weltkrieg unmittelbar neben der Kirche an der Kirchstraße 12.       
    
1932 waren die Vorsteher der Gemeinde Albin Lichtstern und Leo Sitzmann, letzterer als Schriftführer und Schatzmeister. Im Schuljahr 1932/33 erhielten noch zwei jüdische Kinder Religionsunterricht. 
   
1933 lebten noch 32 jüdische Personen in Unterriedenberg (14,4 % von 222). Infolge der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts verarmten die jüdischen Familien sehr schnell. Nachdem der Besuch der öffentlichen Schule in Unterriedenberg für die jüdischen Kinder nicht mehr möglich war, besuchten diese 1936 die israelitische Volksschule in Brückenau. Im Februar 1937 mussten bereits vier Familien von der jüdischen "Winterhilfe" versorgt werden. Bis Anfang November 1938 sind vier jüdische Einwohner in die USA emigriert, 15 verzogen in andere deutsche Städte (je fünf nach Frankfurt am Main und Würzburg sowie in andere Städte). Danach lebten noch sechs jüdische Familien am Ort (zwei der Haushaltsvorstände waren Ladenbesitzer, einer Bäcker, einer Viehhändler). Am Novemberpogrom 1938 waren vor allem SA-Leute aus Unterriedenberg, Oberbach und Oberriedenberg beteiligt. Sie drangen in die jüdischen Häuser ein, schlugen die Fenster ein, zerstörten die Wohnungen und verbrannten die auf die Straße geworfenen Trümmer. Das bei Juden gefundene Geld wurde dem Bürgermeister übergeben. Der Bürgermeister hatte sich an die Ortspolizei gewandt, um die Ausschreitungen zu verhindern, doch wurde ihm mitgeteilt, dass von den vorgesetzten Behörden jede Einmischung untersagt wurde. Die jüdische Gemeinde wurde wenige Wochen später aufgelöst. Die letzten elf jüdischen Einwohner verzogen am 10. Dezember 1938 nach Frankfurt am Main. 
    
Von den in Unterriedenberg geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Herrmann (Heinemann) Edelstein (1870, siehe Presseartikel unten), Betty Frank geb. Levi (1894), Klara Gerson geb. Sitzmann (1862), Abraham Goldbach (1881), Jakob Goldbach (1862), Julius Goldbach (1889), Ida Hecht (1887), Rita Hecht (1893), Regina Heinemann geb. Goldbach (1885), Gitta Klaar geb. Sitzmann (1887), Melita Levi geb. Hecht (1889), Dorothea Mautner geb. Edelstein (1883), Selma Reich geb. Goldbach (1898), Fanny Reis geb. Edelstein (1876), Sara Roer geb. Edelstein (1885), Irene Sitzmann (1920), Isidor Sitzmann (1885), Karl Sitzmann (1886, "Stolperstein" seit Februar 2020 in Berlin-Charlottenburg*), Lidia Sitzmann (1926), Rosa Sitzmann geb. Goldbach (1891, "Stolperstein" seit Februar 2020 in Berlin-Charlottenburg*), Siegfried Sitzmann (1889), Eva Tannenwald geb. Engel (1874).  
*) https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Berlin-Charlottenburg.
  
Im August 1949 fand vor dem Landgericht in Würzburg ein Prozess gegen 28 der beim Novemberpogrom 1938 Beteiligten statt. Fünf erhielten Gefängnisstrafen zwischen fünf und neun Monaten, 23 wurden freigesprochen. 
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
    
Ausschreibungen der Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle 1876 / 1901  

Unterriedenberg Israelit 12071876.jpg (65673 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli 1876: "Brückenau in Bayern. Der israelitische Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterdienst zu Unterriedenberg ist in Erledigung gekommen. Derselbe erträgt fassionsgemäß mit Schluss des auf 40 Mark 24 Pfennig veranschlagten Schulholzes zu 6 Steren und des Wohnungs-Anschlages zu 40 Mark ein jährliches Einkommen von 826 Mark 96 Pfennig.
Bewerber um genannte Stelle haben innerhalb 3 Wochen ihre Gesuche, mit den erforderlichen Zeugnissen versehen, hierorts einzureichen. 
Brückenau, den 4. Juli 1876. Königliches Bezirksamt als Distrikts-Schulinspektion  von Tautphoeus."
Unterriedenberg Israelit 22071901.jpg (36747 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juli 1901: "Die israelitische Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle zu Unterriedenberg bei Brückenau hat sich erledigt und sind Gesuche bis längstens 15. August hierher zu richten. Hirsch Hecht, Vorstand."
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19.9.1901: "Die hiesige Religionslehrerstelle, verbunden mit Vorbeter- Schächterfunktion, soll mit einem seminaristisch gebildeten Lehrer sogleich besetzt werden. Bewerber wollen ihre Anmeldungen sogleich an den Unterzeichneten einreichen. 
Riedenberg (Bayern), 15. September. 
Hirsch Hecht, Kultusvorstand."     

     
     
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Auswanderung jüdischer Einwohner in den 1830er-Jahren - auch ein 85jähriger aus Unterriedenberg fasst den Entschluss dazu  

Unterriedenberg AZJ 30031839.jpg (21991 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. März 1839 innerhalb eines allgemeinen Artikels zur Auswanderung aus Unterfranken: "Aus manchen Orten, wo 30-40 jüdische Familien wohnen, gehen 15-20 und noch mehr Individuen weg, und zwar meistens junge und arbeitsame Leute. - Zu Riedenburg (falsch für Riedenberg, gemeint Unterriedenberg), einem Dorf im Landgericht Brückenau, hat ein Greis von 85 Jahren den Entschluss gefasst, nach Amerika auszuwandern."  

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde  

Zum Tod von Isaak Engelhardt (1908)  
Anmerkung: Der Artikel ist mit Unterriedenbach überschrieben. Einen solchen Ort gibt es nicht. Da von "hiesiger Gemeinde" die Rede ist, liegt vermutlich eine Verwechslung mit Unterriedenberg vor. Auch eine Verschreibung für Unterreichenbach könnte möglich sein, doch gehörten die dort lebenden jüdischen Personen zu Birstein.  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1908: "Unterriedenbach, 30. April (1908). Einen schmerzlichen Verlust erlitt die hiesige Gemeinde durch den Tod des Herrn Isaak Engelhardt, der nach vierwöchentlicher, schwerer Krankheit in der ersten Sedernacht verstarb. Die zahlreiche Beteiligung bei der Beisetzung gab Zeugnis von der allgemeinen Beliebtheit des Verblichenen. Alle, die ihn kannten, werden ihm ein gutes Andenken bewahren."  

   
Zum 80. Geburtstag von Minna Edelstein geb. Goldbach (1926)     

Unterriedenberg Israelit 22041926.jpg (39416 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1926: "Unterriedenberg bei Brückenau, 18. April (1926). Am 27. April dieses Jahres feiert Frau Minna Edelstein, geb. Goldbach, in voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit ihren achtzigsten Geburtstag. Sie zählt seit vielen Jahren zu den ersten im Gotteshaus, wie überhaupt die schönsten jüdischen Eigenschaften sie schmücken. Wir wünschen (alles Gute) bis 120 Jahre!"        

  
Zum Tod von Minna Edelstein geb. Goldbach (1927)  
Anmerkung: Foto des Grabsteines siehe unten.     

Unterriedenberg Israelit 29121927.jpg (63062 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Dezember (1927): Unterriedenberg bei Brückenau, 20. Dezember. Im gesegneten Alter von 82 Jahren verstarb hier Frau Minna Edelstein, die älteste Bürgerin des Ortes. In echt jüdischem Geiste erzogen, hat sie sich die Ideale des Judentums zu bewahren gewusst und auch die Tücken des Lebens konnten ihre Wahrhaftigkeit nicht erschüttern. Die große Beteiligung der christlichen Bevölkerung bei ihrer Beerdigung legten Zeugnis von der Liebe ab, die man der Verstorbenen entgegenbrachte. Herr Lehrer Strauß - Geroda hielt vor dem Trauerhause eine Trauerrede - die Frauentugenden der Verklärten rühmend."  

  
Zum Tod von Rosa Goldbach (1932)

Unterriedenberg Israelit 05011933.jpg (85312 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Januar 1933: "Unterriedenberg, 29. Dezember (1932). Am Erew Schabbat Koddäsch Paraschat Wejischlach (Freitag vor dem Schabbat mit der Toralesung Wejischlach = 1. Mose 32,4 - 36,43, das war Freitag, 16. Dezember 1932) haben wir Frau Rosa Goldbach, Gattin des Herrn Salomon Goldbach, zu Grabe getragen. Aus einem arbeitsreichen Leben und einer über 50jährigen Ehe wurde sie nach monatelanger schwerer Erkrankung am Mittwoch, den 15. Kislew (= 14. Dezember 1932) abgerufen. Sie sah gute und böse Tage, ertrug schwerstes Leid - den Tod einer erwachsenen Tochter und den Verlust eines hoffnungsreichen Sohnes als Opfer des Krieges - und trug allen Schmerz gleich ihrem Gatten ergeben in den unerforschlichen Willen von Gott. Die Beteiligung am Geleite war sehr groß. - Vor dem Trauerhause würdige Herr Lehrer Kahn aus Geroda die Verdienste des Verklärten und schilderte den herben Schmerz des vereinsamten Gatten und der Kinder. Ein Schwager der Heimgegangenen, Lehrer Heinemann in Fulda, gab tief oft ergriffen, dem eigenen Schmerz und dem der Familie Ausdruck. Ihre Seele sei eingebunden sein in den Buch des Lebens. Amen."   

  
Zum Tod von Salomon Goldbach (1935)  

Unterriedenberg Israelit 17061935.jpg (53464 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 17. Juni 1935: "Unterriedenberg, 14. Juni (1935). Am Montag, den 3. Juni, wurde unsere kleine Gemeinde von einem herben Schlage getroffen: Salomon Goldbach hauchte, 79 Jahre alt, seine reine Seele aus und kam am Mittwoch, den 4. Siwan, auf dem Friedhofe zu Geroda neben seiner vor 2 ½ Jahren ihm im Tode vorausgegangenen Gattin zur letzten Ruhe. Der Verstorbene war ein echter Jehudi vom alten Schlage, der keine Mizwah (Gebot) versäumte und viele Jahre an den hohen Feiertagen als Chasan (ehrenamtlicher Vorbeter) fungierte. Er gab einer Gemeinde ein gutes Beispiel ab und fand damit Anklang und Nacheiferung.   Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

   
Zurruhesetzung des aus Unterriedenberg stammenden Hauptlehrers Herrmann (Heinemann) Edelstein (Sugenheim) zum 1. Januar 1936
Über Lehrer Herrmann Edelstein: Geboren am 7. September 1870 in Unterriedenberg; studierte vermutlich an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg; war von 1899 bis 1924 Lehrer, Kantor und Schächter der israelitischen Kultusgemeinde in Sugenheim. Er war mit Jeanette geb. Kahn verheiratet, das Paar hatte drei Kinder. Nach Schließung der jüdischen Elementarschule 1924 blieb er als Religionslehrer tätig. 1936 zog Edelstein mit seiner Frau nach München. Edelstein wurde am 1. Januar 1934 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt, nach der Pressemitteilung von unten am 1. Januar 1936 in den "dauernden Ruhestand". 1936 besuchten die Edelsteins ihre Töchter in Palästina, kehrten aber nach Deutschland zurück. Spätere Bemühungen um eine erneute Ausreise scheiterten. Am 10. November 1938 wurde Edelstein ins KZ Dachau gebracht und erst nach 35 Tagen wieder entlassen. Am 1. Juli 1942 wurde er mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert. Er ist dort am 10. Juni 1944 umgekommen, seine Frau bereits am 6. Februar 1943. Mindestens zwei der drei Kinder konnten nach Palästina emigrieren. Quelle: Gedächtnisblatts der Schüler Andreas Wimmer und Stefan Grasser in den Gedächtnisblättern KZ Dachau (2013) https://www.gedaechtnisbuch.org/gedaechtnisblaetter/?f=E&gb=3641.

Sugenheim Bayr GZ 15011936.jpg (9826 Byte)Meldung in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Januar 1936: "Hauptlehrer Edelstein in Sugenheim wurde ab 1. Januar 1936 in den dauernden Ruhestand versetzt."  

   
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
Kaufmann Viktor Sitzmann sucht einen Lehrling (1893)     
Anmerkung: Zur Genealogie der Familie Viktor Sitzmann (1860-1940) siehe https://www.geni.com/people/Viktor-Sitzmann/6000000071035737922  Demnach war einer der Söhne von Viktor Sitzmann der 1886 (nicht 1896) geborene Karl Sitzmann, später verheiratet mit Rosa geb. Goldbach, geb. 1891 in Unterriedenbach). Beide wurden am 27./29.11.1941 von Berlin nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert, von dort im Mai 1942 ins Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno). Sie sind umgekommen bzw. wurden ermordet. Der Tochter Martha Eisenberger geb. Sitzmann (geb. 1916 in Unterriedenbach) gelang im Dezember 1938 die Ausreise aus Deutschland. Sie ist 1967 gestorben. Auch dem Sohn Gustav Sitzmann (geb. 1919 in Berlin) gelang im März 1939 die Ausreise aus Deutschland. Am 5. Januar 1950 erfolgte die Namensänderung in Gustave Seitz. Er ist 2009 gestorben. Weiteres zur Familiengeschichte siehe Beitrag von Allan Hendriksen/Michael Halfmann: Die Familie Sitzmann (eingestellt als pdf-Datei). 

Unterriedenberg Israelit 12061893.jpg (37657 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juni 1893: "Suche per sofort einen Lehrling mit guten Schulzeugnissen für mein gemischtes Schnitt-, Eisen- und Spezereiwaren-Geschäft. Kost und Logis im Hause. Lehrgeld wird wenig, bei ungünstigen Vermögensverhältnissen keins verlangt.
Unterriedenberg bei Brückenau. Viktor Sitzmann."    

   
Verlobungsanzeige von Irma Stern und Louis Sitzmann (1922)      
Anmerkung: Zur Genealogie der Familie Louis Sitzmann (1891-1970) und Irma geb. Stern (1898-1972) siehe  https://www.geni.com/people/Louis-Sitzmann/6000000044469163886 ..      

Veitshoechheim Israelit 05101922.jpg (33107 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1922: "Irma Stern - Louis Sitzmann. Verlobte. 
Veitshöchheim bei Würzburg - Fulda / Riedenberg bei Brückenau. Oktober 1922 / Sukos (sc. Laubhüttenfest) 5683". 

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge                 
     
Die Synagoge in Unterriedenberg wurde 1752 erbaut. In ihr wurde ein um 1800 angelegtes Totengedenkbuch aufbewahrt sowie ein Protokollbuch der Gemeinde mit Eintragungen ab 1837 und ein altes Registerbuch der Heiligen Bruderschaft (Chewra Kadischa, Beerdigungs- und Wohltätigkeitsverein).  

Regelmäßige Gottesdienste konnten bis Anfang 1938 abgehalten werden. Im März 1938 war allerdings kein Minjan mehr am Ort (Zehnzahl der jüdischen Männer), worauf man den Gottesdienst nun Gemeinden mit den Juden der Nachbargemeinde Dittlofsroda abhielt.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Inventar der Synagoge und der jüdischen Schule von den SA-Leuten aus Unterriedenberg, Oberbach und Oberriedenberg völlig zerstört. Das Gebäude wurde nach 1945 abgebrochen und an seiner Stelle ein Wohnhaus erbaut. 
    

Bericht über die Ereignisse in Unterriedenberg beim Novemberpogrom 1938 von Carol(a) Bermann (aus Familie Sitzmann): "Ich war in der Schule in (Bad) Brückenau. Da hat der Lehrer gesagt, 'es wird etwas vorgehn und ich soll schnell den Zug nehmen und heimfahren.' Da bin ich heimgefahren und in unser Haus gegangen, wo sich gerade der Vater, die Mutter, der Großvater und meine Schwester aufhielten. Und da haben wir in dem Wohnzimmer gesessen und gehört, wie die SS und SA draußen zu unserem Haus marschiert sind. Dann (sind die ins Haus gekommen und) haben die uns alle in die Kammer, wo wir immer gegessen haben, reingetan und die Tür zugemacht und gesagt: 'Da müssen Sie bleiben.' Dann sind (weitere von der) SA und SS ins Haus gekommen, in den zweiten Stock, in die Schlafzimmer und haben die Fenster aufgemacht und haben alles aus den Fenstern nausgeschütt': Das Möbel, die Betten, die Federbetten, die Wäsche, Porzellan und alles, auch das aus dem Wohnzimmer, alles auf den Hof nausgeschütt'. Da war nichts mehr im Haus. Dann sind sie gekommen mit einem Truck (Lastwagen). Und was sie nicht auf den Truck getan haben und was noch ganz war, das haben Leute aus der Nachbarschaft und vom ganzen Ort sich mitgenommen. Wir haben da gesessen und Angst gehabt, nicht gewusst, was sie mit uns machen. Ich war zwölf und meine Schwester acht Jahre alt. Und wie sie dann fertig waren, alle Leute fortgegangen waren, dann ist die SS gekommen und haben meinen Vater verhaftet, Den Großvater haben sie nicht mitgenommen, weil der schon alt (über 70) war. Dann haben wir gehört, dass sie die ganze Synagoge zerstört haben. Und neben der Synagoge hat die Oma (Lichtstern) gewohnt, mein Onkel Sitzmann mit der Betti (seiner Frau) und der Lydia. Dann wurde deren Wohnung zerstört. Auch alles kaputtgemacht. Und dann sind die Oma und der Onkel, die Frau und die Tochter am Abend zu uns ins Haus gekommen. In der Nacht sind wir alle in unsere Scheune ins Heu gegangen. Und da haben wir gewohnt und geschlafen auf dem Heu die nächsten zwei Wochen. Wir haben Angst gehabt, wieder ins Haus zu gehen. Das meiste, was wir (zum Essen) gehabt haben, waren Kartoffeln und Rote Rüben aus unserm Keller. Milch und etwas zum Essen, das haben uns die Herchenröders (Nachbarn) gebracht, hintenrum durch die Scheune. Und da warn wir dort zwei Wochen. Und auf einmal, das ist ganz komisch, wir haben einen Hund gehabt, der hat Ajax geheißen, und auf einmal morgens um 5 Uhr an hat der Hund gebellt wie verrückt. Und eine Stunde später ist mein Vater heimgekommen. Die haben ihn rausgelassen vom Gefängnis (in Brückenau), weil er ein Kriegsverletzter war. Vielleicht hat aber auch der dortige Major, der war nämlich unser Steuerberater, ein gutes Wort für ihn eingelegt. Das wissen wir nicht. Die meisten (Mitgefangenen) sind damals nach Dachau gekommen. Und dann ist er (der Vater) am nächsten Tag nach Frankfurt/a.M. gegangen und hat eine Wohnung gesucht und dann sind wir nach Frankfurt gegangen. Ich hab Ihnen ja gesagt, das war an der Ostendstraße in der Nähe vom Ostbahnh0of. Die Eltern haben sich doch gar nciht mehr rausgetraut. Die haben doch immer mich geschickt, weil ich blond war und so 'arisch' aussah. Von Frankfurt sind wir dann nach Genua mit dem Zug und dort haben wir dann das Schiff genommen. Zuvor haben sie uns an der Grenze noch Schwierigkeiten gemacht, alle Koffer aufgemacht und wir mussten alle Papiere zeigen."
(zitiert in: Geheimnisvolles Masken aus der Rhön - Von jüdischen und christlichen Bartmännern s.Lit. S. 146-147).
Anmerkung: Die genannte Carol(a) Berman(n) war die Tochter von Isidor Lichtstern (geb. 1898 in Weisbach, gest. 1866 in den USA), der mit Lea geb. Sitzmann (geb. 1901 in Unterriedenberg, gest. 1977 in den USA) verheiratet war und mit ihr und seiner Familie in Unterriedenberg lebte.     

      
      
Adresse/Standort der SynagogeRingweg 2        
     
     
Fotos    

     
     
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Zwei Grabsteine von Verstorbenen jüdischen Einwohnern aus Unterriedenberg 
im jüdischen Friedhof Geroda 
 Grabstein von Hugo Engel aus Unterriedenberg
 im jüdischen Friedhof Schweinfurt
Geroda Friedhof 136u.jpg (113430 Byte) Geroda Friedhof 145u.jpg (90205 Byte)  
Grabstein mit zerbrochener Inschrifttafel 
für Helga Zippora Strauß von
 Unterriedenberg, gest. am 12. Tewet 
5868 =  28./29. Dezember 1925  
Grabstein für Mina Edelstein 
geb. Goldbach 
von Unterriedenberg, 
gest. 13. Kislew 
5688 = 7. Dezember 1927
(vgl. Berichte oben)  
Grabstein für Hugo Engel,
geb. 11. Juli 1861 in Riedenberg,
gest. 3. Juli 1884 in Schweinfurt.   
  Der Grabstein ist im jüdischen Friedhof
Schweinfurt in Reihe I, Grab 21.
     
     (Foto von Elisabeth Böhrer)

    
     

Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der Gemeinde Riedenberg  

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 418-419.
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 121.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 395-396.  
bulletCornelia Binder und Michael (Mike) Mence: Last Traces / Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen. Schweinfurt 1992. 
bulletdieselben: Nachbarn der Vergangenheit / Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt 1800 bis 1945 / Yesteryear's Neighbours. Traces of German Jews in the administrative district of Bad Kissingen focusing on the period 1800-1945.  Erschienen 2004. ISBN 3-00-014792-6. Zu beziehen bei den Autoren/obtainable from: E-Mail.    Info-Blatt zu dieser Publikation (pdf-Datei).  
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 99. 
bulletGeheimnisvolles Masken aus der Rhön - Von jüdischen und christlichen Bartmännern (Hrsg. vom Hessischen Landesmuseum Darmstadt). Eine Ausstellung des Hessischen Landesmuseums in der Außenstelle Lorsch 6.2.2005 bis 18.9.2005. 
In dieser Publikation der Bericht zum Novemberpogrom 1938 in Unterriedenberg S. 146-147.   

    
      


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Unterriedenberg  Lower Franconia. A Jewish community was present from at least the late 18th century, numbering 84 in 1867 (of a total 298) and 32 in 1933. Under Nazi rule, Jewish cattle traders were forced to sell off their stock. Twenty Jews left before Kristallnacht (9-10 November 1938), 15 for other German cities. On Kristallnacht SA troops wrecked Jewish homes. The remaining 11 Jews left for Frankfurt on 10 December.   
   
    

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020