Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bad Rappenau (Kreis Heilbronn) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht: 

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
   
In (Bad) Rappenau bestand eine jüdische Gemeinde vom 16./17. Jahrhundert bis 1937. 1572/74 wird erstmals der "Jud von Rappenau" (vermutlich identisch mit dem 1575/76 genannten Gumprecht von Rappenau) genannt, der unter anderem vom Geldverleih lebte. In der Wimpfener Judenordnung von 1598, mit der das Verhältnis zu auswärtigen Juden geregelt wurde, wird auch Rappenau als jüdischer Wohnort genannt. Weitere Erwähnung von Juden in Rappenau gibt es in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Ortsherrschaft derer von Gemmingen hatten um 1670 den Juden Sander aufgenommen, der ein im Dreißigjährigen Krieg zerstörtes Haus aufgebaut und für die Herrschaft den "Judenzoll" einnahm (von den durchreisender Juden). Der Judenzoll blieb in jüdischer Hand: 1677/78 war er an Israel, 1689/90 an Marum, 1697/98 an Moses und Nathan, 1699/1700 an Moses für jeweils fünf Gulden jährlich verpachtet. 
 
Im 18. Jahrhundert waren es jeweils drei bis vier jüdische Familien am Ort. So werden 1764/65 die Familien des Alexander und Joseph (Söhne des Judas) sowie des Liebmann genannt. Sie lebten vom Viehhandel, Warenhandel oder dem Handel mit Landesprodukten. 1771/72 wird mehrfach Gumbel beziehungsweise Gumbel Alexander genannt.     
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1802 fünf jüdische Familie, 1824/25 sechs jüdische Familien in Rappenau; 1825 42 jüdische Einwohner (5,4 % von insgesamt 781 Einwohnern), 1875 81 (6,1 % von 1.326), 1887 72, 1900 46 (3,1 % von 1.467), 1910 35 (2,2 % von 1.564). 
Um 1825 nahmen die jüdischen Familien folgende Familiennamen an (nach den Familienvorstehern aufgezählt): Judel Hirsch, Isack Herbst, Jubel Bär, Abraham Strauß, Simon Blum und Liebmann Adler. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind mehrere Familien nach Nordamerika ausgewandert, darunter zwischen 1869 und 1900 mindestens neun Mitglieder der Familien Hirsch und Strauß.     
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (zum allgemeinen Unterricht besuchten die jüdischen Kinder die evangelische Schule), ein rituelles Bad (vermutlich im Synagogengebäude s.u.) und seit 1881 einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert vermutlich zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Das Amt des Schächtens (Schechita) war zeitweise auch separat vergeben: bis 1886 hatte Josef Rindskopf das Amt inne (siehe Bericht unten). Als Lehrer und Kantor wird 1911 ein Herr Rosenthal genannt (siehe unten). 1827 wurde die Gemeinde dem Rabbinatsbezirk Sinsheim zugeteilt, der später von Heidelberg aus vertreten wurde. 
  
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Franz Mayer (geb. 22.8.1896 in Rappenau, gef. 17.8.1916) und Vizefeldwebel Hermann Metzger (geb. 9.4.1889 in Rappenau, gef. 23.8.1918). Ihre Namen stehen auf dem Gefallenen-Ehrenmal der Stadt. Außerdem ist gefallen: Leutnant Fritz Baer (geb. 31.12.1888 in Rappenau, vor 1914 in Karlsruhe wohnhaft, gef. 25.3.1918; siehe Brief an seine Eltern unten).    
  
Um 1924, als nur noch acht jüdische Einwohner gezählt wurden (0,5 % von 1.682 Einwohnern), war Vorsteher der Gemeinde Sigmund Traub. Er blieb Gemeindevorsteher auch in den kommenden Jahren bis zur Auflösung der Gemeinde 1937. An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handelsbetrieben im Besitz jüdischer Familien sind bekannt: Viehhandlung Siegfried Adler (Kirchenstraße 111, abgebrochen), Viehhandlung Joseph Metzger (Babstadter Straße 11, abgebrochen), Textilwarengeschäft Sigmund Traub (Bahnhofstraße 1).      
 
1933 gab es zehn jüdische Einwohner in Bad Rappenau (0,6 % von 1.758). Neu zugezogenen war der Kaufmann Julius Grötzinger, der seit seiner Heirat 1929 in Bad Rappenau lebte und  ein kleines Industrieunternehmen in Siegelsbach betrieb. Er wanderte 1938 nach dem Tod seiner Frau mit den Kindern in die USA aus. Dorthin konnte im April 1940 auch der Viehhändler Siegfried Adler folgen. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Schaufenster des noch bestehenden jüdischen Geschäftes (vermutlich das Textilwarengeschäft von Sigmund Traub) zertrümmert. Die letzten fünf bereits über 70 Jahre alten Rappenauer Juden wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert (Josef und Mina Metzger, Sigmund und Mina Traub, Sara Adler). Von ihnen überlebte nur Mina Traub, die 1946 zu ihrem Sohn nach New York auswanderte, wo sie 1952 starb.    
       
Von den in Bad Rappenau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sara Adler geb. Hirsch (1869), Hanna Hilda Einstein geb. Würzburger (1894), Eugen Holland (1876), Hermann Holland (1881), Johanna Lemle geb. Traub (1900), Eva Löwenstein geb. Billigheimer(1867), Jette Löwenstein geb. Rindskopf (1873), Joseph Metzger (1860), Mina Metzger geb. Adler (1864), Sigmund Simon Traub (1867).    
   
Spuren der Verfolgungszeit 1933 bis 1945. Von September 1944 bis März 1945 bestand in Bad Rappenau als Unterkommando des Lagers Neckarelz ein Außenkommando des Konzentrationslagers Natzweiler/Elsaß. Die Häftlinge, vermutlich darunter auch jüdische Personen, arbeiteten in einem SS-Bauhof, in der Landwirtschaft und in einer Kfz-Werkstatt. Das Lager war auf dem Gelände der früheren Saline (Häftlingszahl unbekannt).
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde      
   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Die Antisemiten suchen Einfluss in Rappenau zu gewinnen (1893)  

Bad Rappenau Israelit 20071893.JPG (176188 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juli 1893: "Rappenau, 9. Juli (1893), Die 'Neue Badische Landeszeitung' schreibt: 'Unsere Stadt, in der bisher alle Konfessionen in voller Eintracht nebeneinander lebten, scheinen die Antisemiten, die in Lahr und anderswo in unserem guten Badenerland keinen Anhang fanden, zu einem neuen, hoffentlich vergeblichen Versuchsfeld ihrer verhetzenden Tätigkeit machen zu wollen. Nachdem erst vor ca. 4 Wochen der bekannte antisemitischer Reuther einen sogenannten Vortrag im 'Schimpfen auf die Juden' hielt, tagte gestern schon wieder eine derartige, allem parlamentarischen brauch und allem Anstand ins Gesicht schlagende Versammlung. Unter dem unschuldigen Titel 'Bauernverein' treiben solche Leute ihr verhetzendes Handwerk. Von der niedrigen Qualität solcher 'Volks- und Bauernbeglücker' zeigt ihr Bestreben, jede andere Ansicht in solchen Versammlungen zu unterdrücken und wenn es schließlich auch nur mit roher Gewalt möglich ist. So wurde ein Herr, der seine Ansicht in der gestrigen Versammlung äußern wollte, tatsächlich angegriffen und körperlich schwer misshandelt. Wie unser Gewährsmann schreibt, sollen sich einzelne der Herren Salinenbeamten, sowie ein Lehrer und ein Wirt Reichert ganz hervorragend an diesem rohen Vorgang beteiligt haben. Würden die Herren Salinenbeamten sich etwas mehr um die Lage der ihnen unterstellten Arbeiter kümmern, die sich mit ca. 1 Mark 50 Pfennig pro Tag durchs Leben schlagen müssen, es wäre jedenfalls eine ehrenvollere und dankbarere Arbeit, als im Vordergrund einer Rassenverhetzung zu stehen. Wie aber gar die Herren Lehrer die Jugend erziehen können bei solchem allem Anstand Hohn sprechenden Verhalten und welches Beispiel die Herren der Rappenauer Jugend dadurch geben, das mögen die denkenden Rappenauer Bürger überlegen. Diese brutale Vergewaltigung eines deutschen Bürgers in der Rappenauer antisemitischen Versammlung kann nur ganz gehässigen Menschen gefallen und dazu beitragen, die Achtung vor Gesetz und Obrigkeit zu untergraben und der Sozialdemokratie, wenn nicht noch etwas Schlimmeres, den Boden vorbereiten'."   

    
Besuch der badischen Großherzogin in Bad Rappenau (1903)     

Rappenau Israelit 31081903.jpg (56833 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1903: "Rappenau (Baden), 25. August (1903). Vor mehreren Tagen weilte Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden in unserer Mitte. Dieselbe besuchte die Ausstellung weiblicher Schülerarbeiten der Bezirksgemeinde. Zu den Ehrendamen, die sich in dem betreffenden Saale aufzustellen hatten, wurden auch zwei geachtete, jüdische Frauen des Bezirkes zugezogen, nämlich die Frau des Gemeindevorstehers Joseph Strauß von Grombach und Frau Götter von Ehrstädt, mit denen sich die hohe Fürstin in der huldvollsten Weise unterhielt und sich nach manchen Verhältnissen interessevoll erkundigte. W."  

           
Die Gemeinde geht der Auflösung entgegen (1929)   

Obergimpern Israelit 05121929.jpg (98153 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1929: "Obergimpern (Baden). Unsere Gemeinde teilt auch das Los aller Landgemeinden und steht vor ihrer Auflösung. Eine Familie ist diese Woche wieder weggezogen, andere werden folgen. Vor dem Kriege war hier noch eine stattliche religiöse Gemeinde, wo Schabbos und Feiertage noch streng gehalten wurden; das hat sich auch noch bis heute bei den noch ansässigen Familien bewahrt. Obergimpern ist eine der ältesten Gemeinden der Umgegend; die schöne zweistöckige Synagoge, welche mitten im Orte steht, wurde im Jahre 1805 von den damaligen Gemeindemitgliedern unter großen Opfern erbaut. Nach dem Kriege wurde sie neu restauriert und sind schon einige Jahre ohne Minjan. Auch unsere Nachbargemeinden Wollenberg, Siegelsbach, Rappenau, Grombach, alle vor dem Kriege noch stattliche Gemeinden, stehen vor ihrer Auflösung. In Obergimpern haben die Juden neben ihrem Geschäft noch größere Landwirtschaft selbst betrieben und haben in der Arbeit den anderen Bauern nicht nachgegeben."  

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Der Schochet (Schächter) Josef Rindskopf verlässt Rappenau (1886)  

Rappenau Israelit 06121886.jpg (86861 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1886: "Rappenau (in Baden). Heute habe Ihnen mitzuteilen, dass unser langjähriger Schochet, Herr Josef Rindskopf, uns verlassen hat, um seine Tätigkeit in gleicher Eigenschaft in Solingen in Rheinpreußen anzutreten. Alle, die ihn in seinem ganzen Wesen kannten und kennen zu lernen das Vergnügen haben, müssen ihm das Zeugnis eines streng gewissenhaften Schochet und eines gemütlichen und friedliebenden Mannes geben, und dass er bei Christen wie Juden äußerst wohlgelitten war, bekundete die Begleitung seiner zahlreichen Freunde aus beiden Konfessionen und aller Stände zum Abschied an den Bahnhof. Man hört allgemein, wie ungern von Allen sein Scheiden von hier gesehen wurde und bleibt uns nur der Wunsch übrig, dass er auch in seinem neuen Wirkungskreise gleiche Freunde und Achtung finde. - Aber wie es jetzt um unsere jüdischen Verhältnisse und besonders um die hiesige Schechita steht, muss bei dieser Gelegenheit ebenfalls erwähnt werden; denn das Amt der Schechita, welches doch wirklich eines der wichtigsten für jede noch jüdisch denkende Familie ist, liegt jetzt in der Hand eines Mannes, welcher die Schabbatentweihung nach jeder Richtung sich und den Seinigen erlaubt, was sich eine Mehrheit als Vorbild nimmt, und muss das Urteil, ob eine solche Persönlichkeit das Vertrauen als Schochet verdient, einem jeden denkenden Jehudi überlassen bleiben."  

   
Konversion von Dr. Alfred Holland zur katholischen Kirche (1907)   
Anmerkung des Webmasters: es wird aus dem Artikel nicht klar, in welcher Gemeinde die geschilderte Taufe und Erstkommunion von Dr. Alfred Holland stattfand. Genannt wird als Prediger der Pfarrer von Völkersbach (Teilort von Malsch, Kreis Karlsruhe) - möglicherweise fand der Gottesdienst hier statt.   
Zu beachten ist am Schluss der zurecht ironisch formulierte Kommentar über die aus heutiger Sicht peinlich inszenierte Veranstaltung angesichts der Konversion einer jüdischen Person.
Bei Alfred Holland handelt es sich um den am 22. Juli 1885 in Rappenau geborenen Sohn von Maier Holland und Elise geb. Bär.     

Burbach Israelit 05121907.jpg (166902 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1907: "Burbach, 26. November (1907). Der Karlsruher 'Badische Beobachter' schreibt: 'Innige Festesstimmung und froher Festesjubel herrscht am 24. November in unserer Pfarrgemeinde. Herr Alfred Holland, ein Israelit aus Rappenau, Doktor zweier Fakultäten, ein Mann, der erst vor wenigen Wochen in Heidelberg den philosophischen Doktorgrad mit der ersten Note sich erworben, wurde ein Kind der heiligen katholischen Kirche, und empfing die heilige Taufe und die erste heilige Kommunion. Die ganze Gemeinde in- und außerhalb der Kirche trug Festtagsschmuck. Um 10 Uhr wurde der Täufling in feierlicher Prozession unter Böllersalven mit Musik und Gesang von seiner Wohnung zur Kirche geleitet, die bis zum letzten Plätzchen mit Andächtigen angefüllt war. Unter Assistenz zweier Geistlichen nahm Pfarrverweser Menges die heilige Taufhandlung vor, die mit ihren ergreifenden Zeremonien und Gebeten auf alle Anwesenden einen tiefen Eindruck machte. In vielen Augen sah man Tränen. Nach der heiligen Taufe bestieg Pfarrer Pfeil von Völkersbach die Kanzel und hielt eine schöne, zu Herzen gehende Predigt über die hohe Bedeutung dieser so außergewöhnlichen Feier. Allmählich hatte auch die Spätherbstsonne durch die trüben Wolken sich Bahn gebrochen, und als nach der heiligen Kommunion des Zelebranten der Erstkommunikant hinzutrat, um die heilige Kommunion zu empfangen, da flimmerte unser schöner Hochaltar, von der Sonne bestrahlt, min goldenem Glanze. Nach beendigtem Gottesdienste wurde der neue Katholik wiederum in feierlicher Weise zur Pfarrwohnung geleitet... Abends versammelte man sich im ebenfalls festlich geschmückten Gasthaus zum Strauß, um nochmals in gemütlich froher Unterhaltung mit dem lieben Herrn sich zu freuen, zugleich aber auch, um von ihm Abschied zu nehmen, da er uns in dieser Woche noch verlässt.'  Wie glücklich doch die guten Leutchen sind, wenn sie auch nur eine arme Seele der Kirche gewonnen haben!" 

   
Dr. Würzburger gerät in Konflikt mit dem Oberrat und legt sein Amt als Synagogenratsvorsteher nieder (1908) 
Anmerkung: Es handelt sich um Dr. Adolf Würzburger (geb. 1866 in Siegelsbach, gest. 1948 in Petach Tikwa/Israel), der bis 1914 in Bad Rappenau, danach in Heilbronn eine große Arztpraxis führte. Dr. Würzburger war streng orthodox gesinnt und geriet dadurch in einen Konflikt mit dem liberal geprägten Oberrat. Der Bericht findet sich in der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" und wird daher entsprechend kommentiert.  
Über Dr. Würzburger siehe den Beitrag von Rudolf und Inge Rothenhöfer: Dr. Adolf Würzburger (1866-1948) Arzt und Zionist. Eingestellt als pdf-Datei.  

Rappenau Israelit 16011908.jpg (145283 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar 1908: "Aus Baden, 13. Januar (1908). Es dürfte den Lesern dieser Zeitung noch in Erinnerung sein, dass der Synagogenratsvorsteher Dr. med. Würzburger in Bad Rappenau vom Badischen Oberrat mit einem Verweis bestraft wurde, weil er in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied des 'Vereins zur Wahrung der Interessen des gesetzestreuen Judentums in Baden' seinerzeit die von diesem Verein gegen den Oberrat und die Synode erlassene Protesterklärung mit unterschrieben hatte. Der Oberrat hatte die Berechtigung zu diesem Verweis aus der Feststellung hergeleitet, dass die Synagogenratsmitglieder Beamte der 'Landessynagoge' seien und als solche der Disziplin des Oberrats unterstehen. Das Ministerium hat als Rekursinstanz diesen Standpunkt des Oberrats auf Grund der gesetzlichen Vorschriften gebilligt. Herr Dr. Würzburger hat nun die Konsequenz aus diesem Vorfall gezogen, und sein Synagogenratsamt niedergelegt, weil er, wie er sich äußerte, zu der Überzeugung gekommen ist, dass er nach Lage der Dinge ohne die oberrätliche Beamten-Eigenschaft mehr für das wahre Judentum wirken kann, als mit derselben. Der Rücktritt wurde vom Großherzoglichen Bezirksamt genehmigt.   
Mit tiefem Schmerz muss man es jetzt in kurzer Zeit zum zweiten Mal mit ansehen, wie durch das oberrätliche Verwaltungssystem ernsten, religiösen Männern die Möglichkeit entzogen wird, die Stellung in der Gemeinde einzunehmen, in der sie nach ihrer Befähigung, ihrer Überzeugungstreue und ihrem religiösen Ernst Hohes und Edles wirken könnten. Bekanntlich musste auch der Vorsteher in Randegg sein Amt niederlegen, weil er als Mohel es nicht über sich gewinnen konnte, gegen Überzeugung und Gewissen zu handeln."  

      
Dr. Würzburger wird in die Landessynode gewählt (1911)   

Bad Rappenau FrfIsrFambl 24031911.jpg (25928 Byte)Mitteilung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. März 1911: "Heidelberg. Für den Bezirk Sinsheim - Mosbach wurde Dr. Würzburger - Rappenau - und nicht, wie irrtümlich angegeben, Oppenheim - Mosbach - in die Israelitische Landessynode gewählt."  

   
Synagogenratsmitglied Nathan Bär verzieht nach Karlsruhe (1911)  

Bad Rappenau Israelit 13071911.jpg (101080 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1911: "Rappenau, 9. Juli (1911). Dieser Tage verließ unser langjähriges Synagogenratsmitglied, Herr Nathan Bär, unsere Gemeinde, um sich in Karlsruhe bleibend niederzulassen. Am letzten Samstag verabschiedete sich beim Vormittagsgottesdienste die Gemeinde von diesem ihrem hoch geschätzten, langjährigen Mitglied. In wohl durchdachter, über halbstündiger Rede gab Herr Lehrer und Kantor Rosenthal dem Bedauern der Gemeindemitglieder beredten Ausdruck über den Weggang dieses trefflichen Mannes und seiner geschätzten Familie, besonders hinweisend auf den biederen offenen Charakter des Scheidenden und die so reichliche oft geübte Wohltätigkeit und Gastfreundschaft seiner Gattin.   
Die besten Wünsche begleiten Herrn Bär und seine Familie, sie sich so manches Verdienst um unsere immer kleiner werdende Kultusgemeinde erworben hatten, nach seinem neuen Wirkungskreis; die hiesige jüdische Gemeinde aber wird ihm ein dauerndes, gutes Andenken bewahren."  

           
Brief des im Ersten Weltkrieg gefallenen Fritz Baer an seine Eltern (geb. 1888 in Bad Rappenau, gefallen 1918)          

Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. Februar 1935:  
zum Lesen bitte Textabbildung anklicken
        

       
Die in Bad Rappenau gegründete Korsettfabrik Eugen und Hermann Herbst GmbH in Mannheim wurde "arisiert" (1936)     
Zur Firmengeschichte siehe bei https://www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/felina-miederwarenfabrik-in-mannheim. Demnach wurde die Korsettfabrik von Eugen J. Herbst 1885 in Bad Rappenau gegründet mit zunächst ca. 10 Mitarbeiterinnen. Bereits 1890 wurde das Unternehmen wegen der hohen Nachfrage nach Mannheim verlegt.
Die Firma Felina besteht bis heute als ein global agierendes Dessous Unternehmen - aktiv in über 50 Ländern  https://felinainternational.com/  
  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1936: "Mannheim. Die Korsettfabrik Eugen und Hermann Herbst GmbH., hier, ist in arischen Besitz übergegangen."         

       
        
        
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge              
   
Die jüdischen Familien wohnten bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts im sogenannten "Judenhof" (heute Strassen Am Schafgarten und Fasanenstrasse). Hier war auch das erste Bethaus der Gemeinde, ein zweistöckiger Bau, in dem neben Wohnungen auch ein Betsaal untergebracht war (heutiges Gebäude Am Schafgarten 4).    
     
1816 wollten die Rappenauer Juden eine Sammlung zum Bau einer neuen Synagoge durchführen. Der Oberrat der Israeliten lehnte die Bitte mit dem Hinweis ab, dass die Juden in Rappenau "gänzlich mittellos seien" und ihre Gottesdienste wie bisher in einem Privatzimmer verrichten sollten.  
  
1842 entschloss sich die Gemeinde wiederum, einen Synagogenbau zu verwirklichen. Die damaligen Mitglieder des Synagogenrates (Joseph Herbst, Lazarus Bär und Alexander Hirsch) erschienen am 9. Januar 1843 vor dem Gemeinderat und trugen ihr Anliegen vor. Man habe von Zimmermeister Freudenberger einen Plan für eine Synagoge anfertigen lassen und wolle nach diesem Plan das Gebäude "in einem Garten hinter dem Dorfe" verwirklichen. Das Grundstück liege an einem Nebenweg, nicht an der Hauptstraße. Der Antrag des Synagogenrates wurde durch die Behörden gereicht, wobei der Großherzogliche Bauinspektor aus Heidelberg in seiner Stellungnahme an das Bezirksamt Neckarbischofsheim Freudenbergers Plan rundum ablehnte. Das Gebäude sei zu klein und erscheine "ganz formlos". Auch stünde der Almemor auf dem Plan zu nahe beim Toraschrein. Andere vorgeschriebene Einrichtungen seien gar nicht berücksichtigt worden. Das Zimmer für den Lehrer sei zu klein und ein rituelles Bad fehle ganz. Nach dieser Ablehnung ließ die jüdische Gemeinde einen neuen Plan mit Kostenvoranschlag durch Salinenwerkmeister Fritschi erstellen. Dieser fand bei den Behörden Gefallen; nach einem Votum der Bezirkssynagoge Sinsheim war er "sehr zweckmäßig". Einstimmig wurde auf einer am 14. Juli 1843 durchgeführten jüdischen Gemeindeversammlung beschlossen, die Synagoge nach dem Plan von Fritschi zu erbauen. Trotz der immer noch "geringen Vermögensverhältnisse" der Gemeinde konnten die Baukosten von 1.300 Gulden bestritten werden. Ein Kredit von 400 Gulden half, die fehlende Summe aufzubringen. Im Synagogengebäude befand sich vermutlich auch das rituelle Bad, da dessen Fehlen auf dem abgelehnten Plan von Freudenberger eingemahnt wurde. Die Synagoge stand auf Flurstück Nr. 218 mit 91 qm; heute Grundstück Am Schafgarten 2. 
     
Fast 90 Jahre diente diese Synagoge der Rappenauer jüdischen Gemeinde als Zentrum des gottesdienstlichen Lebens. 
  
Da 1933 nur noch zehn Gemeindeglieder gezählt wurden, sind vermutlich schon Anfang der 1930er-Jahre keine regelmäßigen Gottesdienste mehr dort abgehalten worden. Mit Entschließung vom 12. Oktober 1937 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst. Das Synagogengebäude wurde mit Vertrag vom 2. November 1937 an den Landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzverein (Milchgenossenschaft) in Bad Rappenau verkauft. Das Gebäude wurde damals als baufällig und nicht mehr benutzbar beschrieben. Entweder noch 1937 oder 1938 ist es teilweise abgebrochen worden (möglicherweise auf Veranlassung der Israelitischen Gemeinde selbst). Auf dem Grundstück wurde - unter Verwendung der stehen gebliebenen Synagogenmauern - eine Milchsammelstelle errichtet. Beim Umbau ist ein etwa 20-jähriger jüdischer Mann aus Heilbronn den Fliesenlegern als Hilfsarbeiter zwangsweise zugeteilt worden. Als "Nicht-Arier" hatte er das Gymnasium verlassen müssen. Den beim Umbau anfallenden Schutt, mit zum Teil noch brauchbaren Mauersteinen, verwendete man teilweise zur Errichtung der Überfahrt am Spessartbach zur Kohlplatte. Aber auch am Eingang zum damals neu geschaffenen Waldpark, zwischen Vulpius-Klinik und Sportplatz, fanden die Steine Verwendung. Über längere Zeit entdeckten Spaziergänger zerrissene Bücher und Textblätter mit hebräischen Schriftzeichen, die möglicherweise aus einer Genisa im Dachgeschoss der ehemaligen Synagoge stammten. 
  
1970 wurde die Milchsammelstelle aufgelöst, das Gebäude mit Vertrag vom 8. Dezember 1970 vom Landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzverein in Bad Rappenau eGmbH an einen Privatmann verkauft. Dieser hat in den 1980er-Jahren das Gebäude der Milchsammelstelle zu einem bis heute erhaltenen Wohnhaus umgebaut (Am Schafgarten 2). Eine Hinweis- oder Gedenktafel ist nicht vorhanden.
        
        
  
      
Fotos 
Historische Fotos: 

Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle Hinweise bitte an
den Webmaster, E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite

     
Fotos nach 1945/Gegenwart:  

Foto um 1965
(Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart) 
Rappenau Synagoge 100.jpg (42768 Byte)  
  Die Milchsammelstelle auf dem
 Synagogengrundstück Am Schafgarten 2
 
      
     
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn)
     
Bad Rappenau Synagoge 003.jpg (58410 Byte) Bad Rappenau Synagoge 002.jpg (64827 Byte) Bad Rappenau Synagoge 001.jpg (86019 Byte)
Ehemaliges Wohn- und Bethaus 
der jüdischen Gemeinde, Gebäude 
am Schafgarten 4
  
Dasselbe Gebäude, von der 
anderen Richtung aus gesehen 
 
   
Wohnhaus Am Schafgarten 2. Beim 
Umbau (vgl. Foto oben) der früheren
 Milchsammelstelle wurde die vordere Mauer 
neu und näher zur Straße hin gebaut. 
      
     
Fotos 2004:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 11.5.2004)
   
Rappenau Synagoge 280.jpg (50201 Byte) Rappenau Synagoge 283.jpg (46472 Byte) Rappenau Synagoge 282.jpg (46732 Byte)
Ansichten der Gebäude Am Schafgarten 2 und 4 ähnlich wie oben
 
     
 Fotos 2014
(Fotos: Hahn, Aufnahmen vom September 2014)
   
   Ansichten der Gebäude Am Schafgarten 2 und 4 ähnlich wie oben  
 

   
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    

Februar 1965: Erinnerungen an die jüdische Gemeinde  
Artikel im "Bad Rappenauer Anzeiger" vom 3. Februar 1965: "Die Juden in der Gemeinde
Der Artikel ist abgeschrieben und von Bernd Göller mit Anmerkungen versehen: als pdf-Datei eingestellt.    
 

    
    

Links und Literatur  

Links:  

bulletWebsite der Stadt Bad Rappenau    

Literatur:

bulletFranz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden. 1968. S. 41-42.  
bulletWolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. S. 101-109. 
bulletEmil Künzel: Juden in Bad Rappenau. In: Bad Rappenauer Heimatbote. Heimatgeschichtliche Beilage des Mitteilungsblattes. 10. Jahrgang Nr. 10 vom Dezember 1998. S. 79-84.
bulletJoseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern - Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem 1986. S. 258-259.  
bulletsynagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007.    
bulletBegleittext zur Ausstellung "Auf den Spuren jüdischen Lebens in Bad Rappenau" - Ausstellung der Schülerinnen und Schüler der GHWRS (Grund-, Haupt- und Werkrealschule Bad Rappenau) und der Wilhelm-Hauff-Realschule Bad Rappenau im Rahmen des Ökumenischen Jugendprojektes Mahnmal zur Erinnerung an die Deportation der Badischen Juden nach Gurs am 22. Oktober 1940. 48 Seiten. Die Ausstellung wurde am 20. April 2010 eröffnet.
Dateiumfang etwa 6 mb (pdf-Datei - bitte anklicken)    

   
    

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Bad Rappenau    
In der Website des Landesarchivs Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind (soweit vorhanden) die Personenstandsregister jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632     
Zu Bad Rappenau ist nur vorhanden:  J 386 Büschel 59: 
Gräberverzeichnis der jüdischen Gemeinde Bad Rappenau 1881 bis 1936:  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440236  
        

        
         


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Bad Rappenau  Baden. Jews are first mentioned in 1675 and lived there in small numbers until the 1840s. There was anti-Jewish violence during the 1848 revolution. The mineral baths opened in 1823 brought a measure of prosperity to the Jews. A synagogue was opened in 1844 and a cemetery in 1881. The Jewish population reached a peak of 81 in 1875 (total 1,326) and then declined steadily to ten in 1933. The last six Jews were deported to the Gurs concentration camp on 22 October 1940. 
   
    

                        
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge 

            

 

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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020