Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Ober-Seemen (Stadt Gedern, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge 
("bis jetzt eine der frömmsten Gemeinden Deutschlands" - aus einem Bericht von 1879 s.u.) 

Übersicht: 

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
Sonstiges  
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)        
    
In Ober-Seemen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück.  
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1828 141 jüdische Einwohner, 1861 151 (17,1 % von insgesamt 882), 1880 115 (13,7 % von 839), 1895 93 (10,6 % von 879), 1910 94 (9,8 % von 962). Mitte des 19. Jahrhunderts waren zwei Drittel der jüdischen Gewerbetreibenden Kaufleute, die übrigen Viehhändler und Handwerker.
   
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (bis 1923 Israelitische Elementarschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten). 1861 bis 1874 war als Lehrer Nathan Sichel an der Israelitischen Elementarschule der Gemeinde tätig. 1875 unterrichtete der Lehrer J. Rothschild 21 jüdische Kinder; er war allerdings nur kurze Zeit in Ober-Seemen. 1910 gab es 16, 1920 wieder 20 schulpflichtige jüdische Kinder. Von 1915 bis 1923 war Lehrer der Gemeinde Samuel Welsch. Als er die Gemeinde verließ, wurde die Konfessionsschule aufgehoben. Danach wurde der Unterricht durch auswärtige Lehrer erteilt (Lehrer Adolf Bauer aus Gedern; bereits 1904 war ein Schulverband der jüdischen Gemeinden Gedern, Ober-Seemen und Wenings vorgeschlagen worden). Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in Gießen.  
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Berthold Bing (geb. 12.5.1896 in Oberseemen, vor 1914 in Leipzig wohnhaft, gef. 7.11.1918)  und Lion Levy (geb. 15.6.1886 in Ober-Seemen, vor 1914 in Mannheim wohnhaft, gef. 12.3.1916). 
   
Um 1924, als noch 87 jüdische Einwohner gezählt wurden (8,6 % von 1.008), waren die Vorsteher der Gemeinde Hermann Sichel, Nathan Zimmermann und Julius Adler. Den Religionsunterricht der damals noch 10 schulpflichtigen jüdischen Kinder erteilte Lehrer Adolf Bauer aus Gedern. An jüdischen Vereinen bestanden eine Männer-Chewra (Israelitischer Männerverein, Arbeitsgebiet und Ziel: Wohltätigkeit und Bestattungswesen, 1932 Vorsitzender Nathan Zimmermann) und eine Frauen-Chewra (Israelitischer Frauenverein, Arbeitsgebiet und Ziel: Wohltätigkeit und Bestattungswesen) sowie eine Ortsgruppe des Agudas Jisroel. 1932 waren die Gemeindevorsteher Benno Bing (1. Vors.), Nathan Zimmermann (2. Vors.) und Simon Frank (3. Vors.). Im Schuljahr 1931/32 erhielten 8 jüdische Schulkindern Religionsunterricht, der weiterhin durch den jüdischen Lehrer Bauer aus Gedern erteilt wurde. Dieser hielt in Ober-Seemen u.a. auch die Beerdigungen verstorbener Gemeindeglieder ab (s.u. bei den Berichten zu den Beisetzungen von Samson Sichel und Benno Bing (1932/35).  
   
1933 lebten noch 73 jüdische Personen am Ort (6,8 % von 1.071 Einwohnern; in 20 Familien).
In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Hauptauswanderungsziele waren die USA, Südafrika und Palästina. Im Oktober 1937 beschloss die noch aus 15 Mitgliedern bestehende Gemeinde, dass die Auflösung der Gemeinde beantragt werden sollte. Anfang 1938 wurde durch den letzten Gemeindevorsteher Simon Frank die Auflösung vollzogen, die Synagoge geschlossen und verkauft (s.u.). Beim Novemberpogrom 1938 kam es dennoch auch in Ober-Seemen zu Ausschreitungen gegen die ehemalige Synagoge und die noch am Ort lebenden jüdischen Einwohner. 1939 waren nur noch zwei jüdische Personen am Ort, Anfang Dezember 1940 fünf (Familie Schuster).  
     
Von den in Ober-Seemen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Gustav Anger (1896), Thekla Bickhardt geb. Kaufmann (1892), Lina Bing geb. Stiefel (1892), Jettchen Bornheim geb. Strauss (1870), Berta Braun geb. Strauß (1871), Emil Frank (1911), Maurice Frank (1896), Rosa Frank geb. Frank (1878), Simon Frank (1872), Flora Fransmann geb. Goldschmidt (1895), Frieda Goldschmidt geb. Strauss (1902), Gottfried Goldschmidt (1902), Leopold Goldschmidt (1881), Bella Grünebaum geb. Strauss (1903), Rebekka Gutmann geb. Sichel (1873), Berta Jonassohn geb. Goldschmidt (1901), Irene Jonassohn (1934), Isack Kurt Jonassohn (1931), Ruth Jonassohn (1927), Albert Kahnlein (1908), Marianne Kahnlein geb. Wildberg (1877), Moritz Kahnlein (1877), Salli (Sally) Kaufmann (1881), Lina Lichtenstein geb. Zimmermann (1869), Recha Maier geb. Strauss (1901), Lazarus Ottensoser (1855), Elli Rosenthal geb. Oppenheimer (1904), Fanny Rosenthal geb. Zimmermann (1858), Recha (Rachel) Rosenthal geb. Rosenthal (1898), Betty Schuster (1924), Friedel Schuster (1931), Joseph Schuster (1893), Margot Schuster (1926), Sara Schuster geb. Wallach (1875), Sidonie Schuster (1924), Werner Schuster (1930), Emilie Stern (1867),  Ida Strauss (1925), Isaak Strauss (1876), Siegfried Strauss (1905), Zadock Strauß (1873), Flora Zimmermann (1940), Sara Flora Zimmermann (1860).   
  
  
  

Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
   
     
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Ausschreibungen der Stelle des Elementar-/Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876 / 1877 / 1885 / 1887 / 1890 / 1891 / 1900 / 1915  

Ober-Seemen Israelit 07061876.jpg (42909 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1876: "Die Stelle eines Elementarlehrers, Chasan (Vorbeter) und Schochet in der Gemeinde Ober-Seemen in Oberhessen ist zum 1. September zu besetzen. Der Gehalt beträgt 700 Mark nebst freier Wohnung, Nebenakzidenzien ca. 3-400 Mark. 
Bewerber wollen sich gefälligst unter Anschluss Ihrer Zeugnisse melden bei dem israelitischen Vorstand. J.B. Bing."
 
Ober-Seemen Israelit 03101877.jpg (39718 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Oktober 1877: "Lehrer-Gesuch. Die israelitische Gemeinde zu Ober-Seemen (Oberhessen) sucht bis den 1. Dezember dieses Jahres einen Religionslehrer und Vorbeter mit einem Gehalt von 700 Mark, freier Wohnung und entsprechenden Nebenverdiensten. Bewerber wollen sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse an den israelitischen Vorstand zu Ober-Seemen wenden.  J.B. Bing."
 
Ober-Seemen Israelit 21121885.jpg (44077 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Dezember 1885: "Die Stelle eines Religionslehrers, Schochet und Chasan in der israelitischen Gemeinde Ober-Seemen ist alsbald zu besetzen. Der Gehalt beträgt 600 Mark nebst üblichen Nebenakzidenzien. Bewerber wollen sich unter Anschluss ihrer Zeugnisse melden bei dem israelitischen Vorstand in Ober-Seemen (Oberhessen)."
 
Ober-Seemen Israelit 07071887.jpg (59246 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juli 1887: "Die Stelle eines Religionslehrers, Chasan und Schochet in der Gemeinde Ober-Seemen (Oberhessen) soll alsbald besetzt werden mit einem jährlichen Gehalt von 600 Mark nebst üblichen Nebenverdiensten. Bewerber, im Besitz einer guten Stimme, wollen sich unter Anschluss ihrer Zeugnisse melden bei dem Vorstand J.B. Bing
Reisekosten werden nur demjenigen vergütet, der die Stelle erhält."
 
Ober-Seemen Israelit 19121887.jpg (52553 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1887: "Die israelitische Gemeinde Ober-Seemen in Oberhessen sucht bis zum 1. Januar 1888 einen seminaristisch gebildeten Religionslehrer, Schochet, Chasan. Gehalt 700 Mark nebst üblichem Nebenverdienst. 
Bewerber belieben sich unter Anschluss ihrer Zeugnisse zu melden bei dem israelitischen Vorstand. J. B. Bing. Reisekosten werden demjenigen vergütet, welcher die Stelle erhält." 
Oberseemen Israelit 08051890.jpg (39310 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1890: "Wir suchen bis zum 1. Juni einen seminaristisch gebildeten Religionslehrer, Chasan (Vorbeter) und Schochet. Der Gehalt beträgt 650 Mark nebst den üblichen Nebeneinkünften ca. 200 Mark. Bewerber wollen sich unter Anschluss ihrer Zeugnisse melden. 
Ober-Seemen (Oberhessen). Der Vorstand: J. B. Bing."
 
Ober-Seemen Israelit 13041891.jpg (37526 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1891: "Wir suchen per 1. Mai dieses Jahres einen staatlich geprüften Religionslehrer, Chasan und Schochet. Gehalt beträgt 700 Mark nebst üblichem Nebenverdienste. Bewerber wollen sich mit Anschluss ihrer Zeugnisse melden bei dem israelitischen Vorstand 
J.B. Bing,
Ober-Seemen, Oberhessen."
 
Ober-Seemen Israelit 22101900.jpg (67701 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1900: "Religionsschulstelle zu besetzen. Die mit einem festen Gehalt von Mark 800, freier Wohnung und Nebengefällen von 3-400 Mark verbundene Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schächters dahier soll bis zum 1. Dezember dieses Jahres neu besetzt werden. Meldungen mit beglaubigten Zeugnisabschriften wollen bald an den Unterzeichneten gerichtet werden. 
Ober-Seemen, Oberhessen, 17. Oktober. 
Der Vorsitzende der Vorstandes: A. Kaufmann."  
     
Oberseemen Israelit 29031915.jpg (69771 Byte) Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1915: "Zum 15. April dieses Jahres wird in der Gemeinde Ober-Seemen (Oberhessen) die Stelle eines Kantors, Schächters und Religionslehrers frei. Bewerber mit guten Zeugnissen, am liebsten unverheiratet, wollen sich melden. Gehalb 1.050 Mark Fixum, ca. 350 Mark Nebeneinkommen, sowie freie Wohnung und Gelegenheit in einer Nebengemeinde die Unterrichte gegen Vergütung mit zu übernehmen. 
Der Vorstand:
Schuster."  

     
Zum Tod von Nathan Niedermann (Lehrer in Oberseemen bis 1885, danach bis zu seinem Tod 1910 in Neckarbischofsheim) 

Oberseemen FrfIsrFambl 20051910.jpg (96584 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. Mai 1910: "Neckarbischofsheim. Unser langjähriger Lehrer und Kantor Nathan Niedermann wurde zum großen Leide der ganzen Gemeinde aus dieser Welt abberufen. Ein schweres Leiden hatte ihn vor einem halben Jahre mitten aus seiner Tätigkeit heraus aufs Krankenlager geworfen, und wenn es manchmal ihm auch wieder zu gelingen schien, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen, so war die Besserung nur eine scheinbare. 
Mit ihm ist ein bescheidener, friedliebender Mann, der über 24 Jahre treu und gewissenhaft seines Amtes in unserer Gemeinde gewaltet hat, ins Grab gesunken. Erst 48 Jahre alt, ist es heimgegangen, fast seine ganze Lebensarbeit gehörte der hiesigen Gemeinde, er war nur kurze Zeit vor seinem Hierherkommen Lehrer in Oberseemen. Ein Schüler des Würzburger Seminars, hatte er dessen Traditionen nicht vergessen, in Lehre und Leben war er, das muss heutzutage besonders betont werden, ein Bekenner des traditionellen Judentums. Nie wird sein Gedächtnis erlöschen bei allen denen, die ihn gekannt haben." 

     
Dienstjubiläum des Lehrers Nathan Sichel 1911 (1861 bis 1874 Lehrer in Ober-Seemen)   

Kleinsteinach Israelit 11051911.JPG (68435 Byte)Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1911: "Kleinsteinach (Unterfranken), 30. April. Am 1. Mai konnte Herr Lehrer Sichel hier auf eine 50jährige Amtstätigkeit zurückblicken. Zuerst wirkte derselbe 13 Jahre in Ober-Seemen (Oberhessen), sodann 6 Jahre in Dornheim (Mittelfranken). Seit 31 Jahren waltet Herr Sichel in der hiesigen Gemeinde mit großer Pflichttreue seines Amtes und hat während dieser langen Zeit eine segensreiche Tätigkeit entfaltet. Dessen Verdienste um die hiesige Gemeinde und Schule wurden hier durch Veranstaltung einer größeren Feier anlässlich seines 25jährigen Dienstjubiläums geziemend gewürdigt. Um seinem Wirkungskreise keine Gelegenheit zu einer zweiten Jubiläumsfeier zu geben, beging Herr Sichel in aller Stelle den wichtigen Tag seines Lebens. Möge dem allseits beliebten Lehrer ein recht hohes, gesegnetes Alter beschieden sein!"  

    
    
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben    
Spendenaufruf für den in Not geratenen langjährigen Gemeindeleiter (1879)  

Ober-Seemen Israelit 05111879.jpg (155850 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November 1879: "Ein in vielen Kreisen durch seine besondere Frömmigkeit und Rechtschaffenheit bekannter Mann aus Ober-Seemen ist vor einem halben Jahre erkrankt und hat durch die Dauer seines Leides sein kleines, schwer erworbenes Vermögen verbracht. 
Derselbe ist Familienvater, hat eine Frau und 2 unmündige Kinder. Leider ist vor 6 Wochen auch die Frau erkrankt, und nach ärztlichem Gutachten nur wenig Hoffnung für eine Genesung. Die hiesige Gemeinde hat bis jetzt mit großer Aufopferung der Familie hilfreich beigestanden. Allein die Gemeinde hier ist klein und das Elend ist so groß, dass auswärtige Hilfe nötig ist. 
Den Charakter dieses Mannes in seiner wirklichen Größe zu schildern, vermag man nicht. Derselbe ist ein Sohn der Tora, ein Mann der Wohltätigkeit und ein Frommer im wahren Sinne des Wortes. Durch volle 42 Jahre, während welcher Zeit derselbe Handelsmann war (sein Geschäft ist auf einem Platze, wo keine Juden wohnen), ernährte er sich in den Wochentagen von kalten Speisen.
Seit 30 Jahren ist er der Leiter der Gemeinde. Durch seinen Eifer, durch seine besondere Frömmigkeit und wahrhafte Religiosität bewirkte er, dass Ober-Seemen bis jetzt eine der frömmsten Gemeinden Deutschlands ist und so Gott will bleiben wird.
Der Aufenthalt des Mannes an den Wochentagen ist 3 1/2 Stunden von seinem Wohnorte entfernt und dennoch kam er jeden ... nach Hause. Im Sommer wie im Winter eilte er zur Erfüllung des Minjan in unserer Synagoge. 
Das Schicksal hat ihn leider hart verfolgt. Erst vor einem Jahre ist ihm sein hoffnungsvoller Sohn (Lehrer zu Aschaffenburg) durch den Tod entrissen und mit ihm seine Hauptstütze ins Grab gesenkt worden. Nun liegt er selbst hilflos und krank danieder. Erbarmen wir uns seiner und Gott wird sich über uns erbarmen. Adolph Austerlitz. 
Die Wahrheit des Vorstehenden wurde uns von dem Vorstande, den Herren J.B. Bing und Em. Frank in Ober-Seemen, bestätigt und werden alle edle und wohltätige Glaubensgenossen um milde Gaben gebeten. Wir sind zur Annahme von Spenden gern bereit, die in diesen Blättern veröffentlicht werden. Die Expedition des 'Israelit'."

 
Spendenaufruf für eine in Not geratene Familie (1885)   

Ober-Seemen Israelit 18061885.jpg (98739 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1885: "Teuere Glaubensgenossen! 
In einer Zeit, in welcher so häufig an Eure Wohltätigkeit appelliert wird, entschließen wir uns schwer, und nur von der dringendsten Notwendigkeit gezwungen, mit einer Bitte an Euch heranzutreten: 
Eine hiesige Familie ist plötzlich ohne ihr Verschulden in die tiefste Armut geraten. - Der Vater, der stets bestrebt war, sich und die Seinigen auf die redlichste Weise zu ernähren, ist vorige Woche, nur, wie man sicher annimmt, aus größter Verzweiflung, - die Gläubiger drängten, - heimlich nach Amerika, seine Frau nebst 7 unmündigen Kindern in größtem Elend zurücklassend. 
Unsere Unterstützungen allein reichen nicht aus, den Verlassenen wenigstens ihre Wohnstätte zu erhalten und so bitten wir denn hiermit dringend um Hilfe. 
Noch niemals wurde ja die Bitte: Gedenket der Unglücklichen und helfet ihnen ein Jeder nach seinen Kräften! vergeblich an unsere Glaubensgenossen gerichtet, und so möge auch diese einen segensreichen Erfolg haben! 
Gaben wolle man gütigst richten an die Expedition dieses Blattes, sowie an den israelitischen Vorstand dahier.
J.B. Bing. Nathan Niedermann, Lehrer. Em. Frank. Oberseemen."

         
Generalversammlung der Agudas Jisroel-Jugendgruppe (1924)

Oberseemen Israelit 17011924.jpg (69912 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1924: "Oberseemen. Am 25. Dezember hielt unsere Agudas Jisroel-Jugendgruppe ihre Generalversammlung ab. Als 1. Vorsitzender der Gruppe wurde Herr Willi Goldschmidt gewählt. Unser seitheriger stellvertretender Vorsitzender Herr Moritz Oppenheimer, eröffnete die Versammlung mit einer Begrüßungsansprache. Tätigkeitsbericht über das verflossene Jahr wurde durch Frl. Bella Strauß, Finanzbericht durch Herrn Willi Goldschmidt erstattet; letzterer erfreute uns durch seinen lehrreichen Vortrag: 'Was ist die Agudoh und was will sie?'  Die hiesige Jugendgruppe veranstaltet regelmäßige Zusammenkünfte am Schabbosmittag. Hieran beteiligen sich ca. 10 Damen und 8 Herren. Die Versammlung brachte uns einige neue Mitglieder."   

    
    
Berichte zu einzelnen Personen der Gemeinde 
Bericht von Lehrer Ottensoser in Büdingen über die Hilfe für eine jüdische Familie aus Ober-Seemen (1860)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. März 1860 - es handelt sich um einen längeren Bericht von Lehrer Ottensoser: "(Büdingen). Der Sohn eines kranken, jetzt verstorbenen Mannes zu Ober-Seemen begab sich zur Frau Gräfin von Stolberg-Wernigerode und Gedern ins Schloss zu Gedern, um sie zu bitten, für seinen kranken Vater etwas sog. Eingemachtes zu geben. Sie sah den Jungen an und erklärte: 'Der Vater ist ein Jude, und für Juden habe ich solches nicht.' 
Darauf kam dieser junge Mann hierher (sc. nach Büdingen), erzählte mir das Vorbemerkt. Augenblicklich begab ich mich ins hiesige fürstliche Schloss des Herrn Fürsten zu Isenburg-Büdingen, um Ähnliches für den besagten Kranken bittend, dabei erklärend, es sei für einen Juden aus Ober-Seemen, 4 Stunden von hier, bestimmt. Welcher Kontrast! Mit der größten Bereitwilligkeit und Zuvorkommenheit gab man mir das Gewünschte, mit dem Wunsche, es möchte dem Kranken wohl bekommen, und wenn es ihm zusagte, sollte ich nur wiederkommen und für denselben noch mehr derart in Empfang nehmen."            


Julius Sichel wird mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet (1916)   

Oberseemen FrfIsrFambl 23061916.jpg (14127 Byte)Mitteilung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. Juni 1916: "Frankfurt am Main. Julius Sichel, Zeil 13, Sohn von Samson Sichel in Oberseemen, erhielt das Eiserne Kreuz."    

   
Zum Tod des langjährigen Beschneiders J. B. Bing (1922) 

Oberseemen Israelit 04051922.jpg (108617 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1922. "Oberseemen (Oberhessen), 1. Mai (1922). Zu einer gewaltigen Trauerkundgebung gestaltete sich der letzte Gang des J.B. Bing, welcher im 93. Lebensjahre das Zeitliche gesegnet hat. Aus Nah und Fern war man herbeigeeilt, um dem teuren Verklärten den Tribut der Verehrung zu zollen. Einer vom Geiste unserer Heiligen Tora durchdrungenen Familie entstammend, hatte er sich schon frühzeitig einer Schar Lernbegieriger angeschlossen und durch seinen beispielgebenden Eifer ein umfangreiches jüdisches Wissen angeeignet. Mehrere Jahrzehnte hindurch bekleidete er in uneigennütziger, selbstloser Weise das Amt eines Mohel (Beschneiders). Mehrere hundert jüdische Knäblein wurden durch ihn in den Bund Abrahams eingeführt. In seiner Begeisterung für die heilige Sache scheute er keine Mühe. Als Hilfsvorbeter verstand er es, an den hohen Feiertagen seine Zuhörer durch seine innige Vortragsweise zu fesseln. Mit seltener Herzenswärme tat er jedem entgegen. Weit über den Kreis unserer Gemeinde hinaus hat er sich durch seine reelle Geschäftsführung, ob seines lauteren Charakters und seines vorbildlichen Wohltätigkeitssinns die größte Hochachtung auch bei Andersgläubigen erworben. Am Grabe entwarf Herr Lehrer Welsch ein getreues Lebensbild des Entschlummerten. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."      

    
Zum Tod des Mohel (Beschneiders) und langjährigen Vorstehers der Gemeinde Eisemann Bing (1928)   

Oberseemen Israelit 03011929.jpg (128711 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1929: "Ober-Seemen, 20. Dezember (1928). Am letzten Sabbat, kurz nach dem Minchagebet durcheilte die Trauerkunde unseren Ort, dass Eisemann Bing nicht mehr unter den Lebenden weilte. In voller Rüstigkeit verließ er seine Lieben, um am Minchagottesdienst teilzunehmen; und auf dem Rückwege hat es Gott gefallen, ihn im Alter von 69 Jahren in ein besseres Leben abzurufen. Mit ihm ist ein echter Jehudi von uns gegangen, ein Vorbild der Gemeinde. Sein Leben war ausgefüllt mit Thauro (Tora), Awaudo (Gottesdienst) und Gemilus Chassodim (Wohltätigkeit). Von früherer Jugend bis zu seinem Lebensende führte er das heilige Amt eines Mophels aus. Lange Jahre war er Führer der Israelitischen Kultusgemeinde und auch im Vorstand der politischen Gemeinde. Er war ein Mann von seltener Herzensgüte und jeder, der ihn kannte, musste sich hingezogen zu ihm fühlen. Er stellte an das Leben geringe Anforderungen, umso höher aber an sich um seine bis zum letzten verbrauchte Arbeitskraft für die anderen. Er führte eine harmonische Ehe mit seiner gleichgesinnten frommen Gattin, und erlebte sein höchstes Glück im Gedeihen seiner Familie. Hunderte erwiesen ihm die letzte Ehre. Die ganze Gegend, Juden und Nichtjuden, gaben ihm das letzte Geleit. Am Grabe entwarf Herr Lehrer Bauer in ergreifenden Worten ein Lebensbild des Verstorbenen, der aus einem Leben der Arbeit, Frömmigkeit und Güte herausgerissen wurde. Möge Gott der schwer geprüften Gattin, seinem Sohn wie dem kreise seiner Angehörigen Kraft verleihen, diesen schweren Verlust in Liebe zu tragen."    

   
Zum Tod der aus Ober-Seemen stammenden Emilie Rothschild geb. Bing (1929)  

Alsfeld Israelit 19121929.jpg (114745 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1929: "Alsfeld (Hessen), 10. Dezember (1929). Am Montag, dem 1. Marcheschwan (= 4. November 1929) verstarb hier die wegen ihrer echt jüdischen Frömmigkeit, ihrer seltenen Geistesgaben und ihres reichen jüdischen Wissens in weiten Kreisen angesehene und geachtete Frau Emilie Rothschild im Alter von 81 Jahren. Sie war die Tochter des ebenfalls wegen seiner umfassenden Thauro-(Tora-)kenntnis und der in ihr wurzelnden Gottesfurcht bekannten und geehrten Chower (Gelehrten) Mauscheh Bing - seligen Andenkens - in Oberseemen. Seit 1873 bis 1905 lebte sie in inniger Harmonie an der Seite ihres gleichgesinnten Gatten, welchen sie in diesem Jahre verlor, ihre Kinder im Geiste des überlieferten Judentums erziehend. Trotz schwerer und schmerzlicher Schicksalsschläge, welche ihr nicht erspart blieben, blieb sie standhaft in unerschütterlichem Gottvertrauen, ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten in den Dienst jüdischer und allgemein menschlicher Aufgaben stellend. Bis in die letzten Stunden nahm sie mit ihrem regen Geiste und Scharfblick Interesse an allen Vorgängen der jüdischen und allgemeinen Öffentlichkeit, insbesondere der hiesigen jüdischen Gemeinde. Seit Gründung des Jüdischen Frauenvereins war sie Vorstand desselben, seine Geschäft mit unermüdlichem Eifer und Gewissenhaftigkeit führend, und in den letzten Jahren in Anerkennung ihrer Verdienste Ehrenmitglied dieses Vereins. Die Verkörperung eines echten jüdischen Frauenideals, ernster religiöser Pflichttreue, verankert in selten reichem jüdischem Wissen und starker Überzeugungstreue, ist mit ihrem Heimgange von uns geschieden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."   

  
Zum Tod vom Samson Sichel (1932)  

Oberseemen Israelit 27101932.jpg (68634 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1932: "Oberseemen, 25. Oktober 1932. Am Simchastouroh (Feiertag Simchas Tora war am 23. Oktober 1932) ist Samson Sichel im Alter von 79 Jahren von uns gegangen. Von der großen Wertschätzung, die er überall genoss, legte die große Beteiligung bei seiner Beerdigung Zeugnis ab. Herr Lehrer Bauer aus Gedern schilderte in ausführlicher Rede Einzelheiten aus dem Leben des Verstorbenen. Er war ein Mann von Bescheidenheit, Friedensliebe und Gottesfurcht. Bis vor kurzem nahm er an allen Gottesdiensten teil und ließ sich nicht nehmen, alle Fasttage zu halten. Sein unauffälliges Wirken wird ihm bei allen, die ihn kannten, ein bleibendes Andenken sichern. Möge Gott den tief betrübten Angehörigen Trost spenden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

    
Zum Tod von Benno Bing (1935)  

Ober-Seemen Israelit 14021935.jpg (114235 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1935: "Oberseemen (Oberhessen), 12. Februar (1935). Mit Benno Bing, der nach kurzer Krankheit im 44. Lebensjahre von uns genommen wurde, hat die Gemeinde Oberseemen eine Persönlichkeit verloren, die dazu berufen war, durch ihr edles Beispiel ihre nähere und weitere Umgebung mit tiefer Achtung vor dem Idealbild eines von Gottesfurcht erfassten und am Quelle der Gotteslehre genährten echt jüdischen Menschen zu erfüllen und zur Nacheiferung anzuregen. Aus einer Familie entsprossen, in der echte und tiefe Religiosität Tradition war, hat der Heimgegangene durch rührende Kindesliebe, durch eine vorbildliche Ehe und die Erziehung seiner nun so früh der väterlichen Leitung beraubten Kinder im Geiste der jüdischen lehre, schließlich durch die Führung seiner Gemeinde sich dieser hohen Tradition würdig erwiesen. Die große Verehrung, deren sich Benno Bing - seligen Andenkens - erfreut, kam in einer außerordentlichen Beteiligung, auch der Ortsbevölkerung zum Ausdruck. Am Grabe würdigte Herr Lehrer Bauer aus Gedern in ergreifenden Ausführungen die Persönlichkeit des Heimgegangenen, während Herr Siegfried Strauß in herzlichen Worten des Führers der Gemeinde und der Aguda-Ortsgruppe gedachte. 
Möge der greisen Mutter, die das herbe Geschick traf, nun das letzte ihrer Kinder beweinen zu müssen, der schwer geprüften Gattin und den Kindern Trost und Beistand vom Allmächtigen beschieden werden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

   
Zum Tod von Betty Bing geb. Strauß (1937) - Mutter des oben genannten Benno Bing  

Ober-Seemen Israelit 30121937.jpg (75531 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1937: "Betty Bing geb. Strauß - sie ruhe in Frieden -. Im Alter von bald 73 Jahren verstarb hier (sc. Frankfurt) Frau Betty Bing geb. Strauß, die vor einem halben Jahre aus Ober-Seemen (Hessen) zu ihrer Schwiegertochter nach Frankfurt zog und sich in kurzer Zeit hier die gleiche Achtung und Liebe erworben hatte, wie sie sie in ihrer früheren Heimat in vollem Maße genoss. Frau Bing entstammte einer Patrizierfamilie, in der Tora, Gottesfurcht und Wohltätigkeit zuhause waren, und sie selbst hütete diese drei Grundpfeiler des Judentums an der Seite ihres ihr in den Tod vorangegangenen Mannes treulich und erzog auch ihre Kinder in diesem Sinne. Als ihr auch die Kinder genommen waren, trug sie alle die Schickungen mit dem Gottvertrauen einer frommen und fand Trost im Gebet und im Wohl tun. Ihr Andenken wird in allen Kreisen, denen sie nahe stand, unvergesslich bleiben. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen      

Anzeige von Joseph Goldschmidt (1900)   

Oberseemen Israelit 13081900.jpg (56309 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1900: 
"Bitte!  
Unterzeichneter bittet, da seine Frau schon seit zwei Jahren krank und bettlägerig ist, mildtätige Glaubensgenossen um gütigste Unterstützung, da ich gar nicht aus dem Hause komme, indem meine Frau Gelenkrheumatismus hat, und sich gar nicht helfen kann. 
Joseph Goldschmidt
Ober-Seemen (Hessen). Referenzen erteilt Herr Dr. Weißbecker."    

        
Bäcker Salli Strauß sucht einen Gehilfen oder Lehrling (1903 / 1904) 

Oberseemen FrfIsrFambl 03041903.jpg (30049 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1903: 
"Suche für meine Bäckerei, Samstags geschlossen, einen Lehrjungen und einen Gehilfen. 
Salli Strauss, Ober-Seemen.
"     
  
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1903: 
"Suche für meine am Samstag geschlossene Bäckerei einen jungen 
Gehilfen und Lehrling. 
Salli Strauß,
Oberseemen (Oberhessen)."   
  
Oberseemen Israelit 10121903.jpg (30459 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1903: 
"Suche  
für meine Bäckerei per sofort einen jungen Gehilfen und Lehrling. 
Salli Strauß
, Ober-Seemen. Oberhessen."     
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1904: 
"Suche für meine Bäckerei per sofort einen 
Gesellen und Lehrling

Samstags geschlossen. 
Salli Strauß
, Ober-Seemen (Oberhessen)." 

        
Schuhmacher Michael Rosenthal sucht einen Gesellen (1918) 

Ober-Seemen Israelit 13121918.jpg (44848 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1918: "Selbständiger 
Geselle
 
für Schuhmacherei auf dem Lande gesucht. Samstags und israelitische Feiertage geschlossen. Kost und Logis im Hause. 
Michael Rosenthal, 
Ober-Seemen
in Oberhessen."   

  
  
Sonstiges  
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für David Adler aus Ober-Seemen (gest. 1856)  
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn   

Oberseemen NY Cyprus 1735.jpg (82622 Byte)   Grabstein 
"In Memory of 
David Adler  
Born in Obersemia (=Ober-Seemen)  
Hesse-Darmstadt, 
Died July 28, 1856  
Aged 37 Years".   

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge               
     
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen Häuser eingerichtet worden, später wurde eine erste Synagoge erbaut.   
    
Die alte Synagoge war in den 1880er-Jahren zu klein geworden. Im Frauenbereich hatte es nur 32 Plätze. Der Schulraum war für 21 Kinder gleichfalls zu klein. Allerdings fehlte das Geld für einen Neubau. Erst einige Jahre später konnte der Plan umgesetzt werden, nachdem Leopold Zimmermann aus New York einen Betrag von 20.000 Mark zur Verfügung gestellt hatte. Der Restbetrag von 5.000 Reichsmark wurde vom Wohltätigkeitsverein der Gemeinde bezahlt. 1900/1901 konnte die neue Synagoge nach Abbruch der alten Synagoge an ihrer Stelle erbaut werden. Die Einweihung war vom 9. bis 11. August 1901
    
Erstellt wurde ein zweigeschossiger Basalt- und Sandsteinbau mit Satteldach, dessen äußeres Erscheinungsbild bis zur Gegenwart im ursprünglichen Zustand erhalten ist. Architekturgeschichtlich handelt es sich um einen eklektizistischen Bau, in dem verschiedene gestalterische Stilelemente aufgenommen wurden. Im Synagogengebäude waren neben einem Betraum mit Empore auch die Schule, eine Lehrerwohnung und weitere Räumlichkeiten untergebracht.    
    
Einweihung der Synagoge im August 1901   

Ober-Semen Israelit 01081901.jpg (74935 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1901: "Ober-Seemen, 29. Juli (1901). Vorstand und Festausschuss der hiesigen jüdischen Gemeinde laden zu der am 9., 10. und 11. August stattfindenden Einweihung ihrer neuerbauten Synagoge durch Zirkular ein. Das Gotteshaus ist von Herrn Leopold Zimmermann und dessen Ehefrau Josefine geborene Wolf in New York gestiftet. Den Anlass hierzu bot die goldene Hochzeitsfeier der Eltern des Stifters vor vier Jahren. Leider hat die Mutter desselben die Einweihung nicht mehr erlebt. Sie ist vor Kurzem unerwartet verstorben. 
Das Gotteshaus enthält auch zugleich Räume für die Schule, Lehrerwohnung und sonstige Gemeindeeinrichtungen. Es hat eine eigene Gasbeleuchtung, Wasserleitung und wird eine Zierde für die Gemeinde bilden. Zu den Feierlichkeiten trifft der ganze Ort Vorkehrungen. Es ist eine eigene große Festhalle errichtet, ein Teil der Regimentsmusik des Leibgarderegiments Nr. 115 in Darmstadt gewonnen, und da ein großer Zuzug fremder Gäste erwartet wird, so verspricht es einen glänzenden Verlauf zu nehmen."  
 
Oberseemen Israelit 22081901.jpg (116655 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1901: "Oberseemen, 4. Elul (= 19. August 1901): (hebräisch und deutsch): 'Diesen Tag hat der Ewige geschaffen, wir wollen jubeln und uns seiner freuen', so berichtet uns der 118. Psalm, Vers 4. Fürwahr, ein herrlicher Tag in des Wortes schönster und edelster Bedeutung, den die israelitische Gemeinde Oberseemen mit der Einweihung ihres neuen Beth ha-Kneseth (Synagoge) am 9. dieses Monats zu verzeichnen hatte, welcher ihr als treues Angebinde in steter Erinnerung bleiben wird. 
Von Nah und Fern hatte unser Ort eine starke Fremdenfrequenz aufzuweisen, aus allen Altersklassen waren ganze Menschenschwärme, den verschiedenen Konfessionen angehörend, herbeigeströmt, um ihre Teilnahme an unserem Weihefeste zu bezeigen. 
Die Feier wurde mit dem Minchagebete im Hause des Herrn Simon Frank I, mittags 1 Uhr, eröffnet, welcher zwei seiner Zimmer während der Zeit der Erbauung der Synagoge, die an Stelle der früheren errichtet wurde, zum Gottesdienste unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte, und wofür ihm der wärmste Dank gebührt. Nach Beendigung des Minchah-Gebetes wurden die Sforim (Torarollen( unter Gesang des Wajehi binsaua dem Oraun (Toraschrank) entnommen und in den Festzug eingereiht, welcher sich mit klingendem Spiele der Musikkapelle des Leibgarderegiments Nr. 1155 aus Darmstadt in Bewegung setzte und durch die festlich geschmückten Straßen nach dem neuen Gotteshause marschierte. Hier angelangt, wurde der Schlüssel des Gotteshauses dem Vertreter der Großherzoglich Hessischen Staatsbehörde, Herrn Geheimer   
Oberseemen Israelit 22081901a.jpg (188892 Byte)Regierungsrat Schönfeld aus Schotten übergeben, welcher ihn in einer Ansprache an den Herrn Vorstand der hiesigen israelitischen Gemeinde weitergab. Dieser überreichte ihn dem Großherzoglichen Herrn Provinzialrabbiner, der die Synagoge erschloss und somit ihrer Bestimmung übergab. Nachdem nun die Festgäste unter der Intonation der Musikkapelle eingezogen waren, wurde vom hiesigen israelitischen Männerchor das Boruch habo gesungen, dem sich das Ma tauwu anschloss. Nach Anzündung des Ner tomid (ewiges Licht) wurde Gadlu gesungen, worauf unter Gesang von Ono die übliche Hakofuth (Umgänge) mit den Torarollen vorgenommen und diese dann in den Oraun (Toraschrein) verbracht wurden. Alsdann begann Herr Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld aus Gießen seine Weihepredigt, in welcher der verehrte Redner alle Anwesenden, insbesondere den Herrn Vertreter der Großherzoglichen Hessischen Staatsbehörde und den Geistlichen der hiesigen politischen Gemeinde begrüßte, vor allen Dingen aber des Stifters unserer Synagoge, Herrn Leopold Zimmermann, wohnhaft in New York, der persönlich mit seiner Gattin anwesend war, in warmen Worten gedachte, welches große verdienstvolle Werk er vollbracht, indem er im Verein mit seiner hochedlen Gemahlin, Frau Josefine geb. Wolf aus New York, ein Gotteshaus der israelitischen Gemeinde Oberseemen stiftete. Zum Lohne und zum Danke für diese hochherzige Tat hat auch die Gemeinde eine Gedenktafel mit Inschrift in der Synagoge anbringen lassen. Herr Rabbiner Dr. Hirschfeld ging in seiner Rede von dem Vers (Pasuk) des 122. Psalms aus: 'Ich freute mich über die, die zu mir sagten, lasst uns zum Haus des Herrn gehen' und schloss dieselbe mit einem Gebet auf den Landesfürsten, worauf vom Chor nach das Halleluja vorgetragen wurde. 
Damit erreichte die religiöse Feier ihr Ende. Hierauf nahmen die Festgäste im Festzuge vor der Synagoge wieder Aufstellung und zogen unter dem Schall der Musikkapelle nach dem Festplatze, wo die Feier in schönster Weise ihren Abschluss fand.  Unserem Freunde Herrn Leopold Zimmermann, nebst dessen hochedlen Gemahlin aber gebührt für ihre Fürsorge, wodurch sie zu diesem Prachtbau verholfen, unser tiefgefühltester Dank. Durch ihren edlen Sinn und ihre hochherzige Tat haben sie sich die Krone eines für die hiesige israelitische Gemeinde ewig fortbestehenden guten namens und eines treuen ewigen Andenkens erworben und gesichert. Möge ihnen in allen ihren Unternehmungen Heil, Glück und Segen beschieden sein. Möge das neue Gotteshaus lange Jahre eine Stätte des Friedens und der Eintracht und ein Gotteshaus im wahrsten Sinne des Wortes sein und bleiben."         
   

Nur 37 Jahre war die neue Synagoge Zentrum des jüdischen Gemeindelebens am Ort. Anfang 1938 beschloss der jüdische Gemeindevorstand nach Wegzug der meisten Gemeindeglieder die Auflösung der jüdischen Gemeinde und den Verkauf des Synagogengebäudes an die bürgerliche Gemeinde. Beim Novemberpogrom 1938 wurde dennoch die Inneneinrichtung völlig zerstört. Äußerlich wurde das Gebäude nur leicht beschädigt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude als Unterkunft für osteuropäische Kriegsgefangene zweckentfremdet.       
    
Nach 1945 wurde das Synagogengebäude unterschiedlich verwendet. Einige Zeit residierte der Bürgermeister in der ehemaligen Synagoge. In den 1950er-Jahren war ein Teil der Schule hier untergebracht. Zeitweise war es Lager für einen Lebensmittelladen, Produktionsstätte für eine Lederwarenfabrik. 1978 kam das Synagogengebäude in Privatbesitz und wurde - nachdem das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde - in den folgenden Jahren von Grund auf restauriert. 
  
Von Mitte der 1980er-Jahre bis 2013 war im ehemaligen Synagogengebäude ein Psychotherapeutisches Institut und Tagungshaus untergebracht.    
Informationsseite des "Psychologischen Forums Offenbach" (PFO) zum Gebäude mit Informationen zum Gebäude (externer Link)  
Das Gebäude wurde letztmals 2007 renoviert. 
  
Seit Anfang 2014 ist das Gebäude zum Verkauf angeboten, siehe unter   http://www.sparkassenmakler.de/objekt/5163002888/       
  
  
Adresse/Standort der Synagoge Mittelseemer Straße 4-6      
   
   
Fotos
(Quelle: Historische Aufnahme und Programm zur Einladung:  Arnsberg, Bilder s.Lit. S. 157; Fotos aus den 1980er-Jahren aus Altaras s. Lit. 1988 S. 213; Fensterbild: Quelle: www.heuvelmann.name/)  

Historische Aufnahme 
der Synagoge
Ober-Seemen Synagoge 140.jpg (75767 Byte)  
           
     
Ober-Seemen Synagoge 141.jpg (104490 Byte) Ober-Seemen Synagoge 142.jpg (126262 Byte) Ober-Seemen Synagoge 143.jpg (124212 Byte)
Einladung und Programm zur Einweihung der Synagoge - 9.-11. August 1901
        
Die ehemalige Synagoge in den 1980er-Jahren  
Ober-Seemen Synagoge 181.jpg (48691 Byte) Ober-Seemen Synagoge 145.jpg (72148 Byte) Ober-Seemen Synagoge 144.jpg (87896 Byte)
 Im Sommer 1980 
(Quelle: www.synagogen.info, Foto 
eingestellt von Karl Preuss
Das Synagogengebäude im Juni 1987 (links) beziehungsweise im Juni 1985  
   
   
      
        
Die ehemalige Synagoge im Frühjahr 2016  
(Fotos: Stephan Jäger)    
Ober-Seemen Synagoge 1601.jpg (61017 Byte) Ober-Seemen Synagoge 1602.jpg (67807 Byte)
   Außenansichten des Synagogengebäudes (bisheriges Tagungshaus "Ehemalige Synagoge")    
     
Ober-Seemen Synagoge 1607.jpg (77711 Byte) Ober-Seemen Synagoge 1604.jpg (50995 Byte) Ober-Seemen Synagoge 1608.jpg (42338 Byte)
Blick auf das Eingangsportal    Treppenhaus   
     
Ober-Seemen Synagoge 1603.jpg (37026 Byte) Ober-Seemen Synagoge 1605.jpg (34899 Byte) Ober-Seemen Synagoge 180.jpg (82741 Byte) Ober-Seemen Synagoge 1609.jpg (39939 Byte)
 Raum im Erdgeschoss  Räume im Obergeschoss    
     
  Ober-Seemen Synagoge 1606.jpg (42247 Byte)  
   Kunstvoll gestaltetes Rundbogenfenster   
     

      

   
Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Gedern  
bulletSeite zur Geschichte Ober-Seemens auf einer Website des Ortes  
bulletSeite zur jüdischen Geschichte in Ober-Seemen und zur Geschichte des "Tagungshauses Ehemalige Synagoge"    

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 156-157.
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 157. 
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 191-192.
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 154 (keine weiteren Angaben).
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 322. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 44-45. 

     
      


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Ober-Seemen  Hesse. Established in the 18th century, the community grew to 151 (17 % of the total) in 1861 and opened a new Synagogue 40 years later. Nazi violence mounted from 1933 and early in 1938 the community disbanded, leaving only 13 Jews. On Kristallnacht (9-10 November 1938) a pogrom was staged. Most younger Jews emigrated before Worldwar II; others perished in the Holocaust.   
  
    

                   
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Stand: 30. Juni 2020