Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Jüdische Geschichte / Synagoge

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bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
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bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
   
In Büdingen (erstmals 1321 als Stadt bezeichnet) lebten Juden bereits im Mittelalter. 1330 erhielt der damalige Ortsherr Luther von Isenburg vom Kaiser das Recht, zwölf Juden in seinem Lande zu halten, worauf sich einige in Büdingen niedergelassen haben. 1337 waren sie von der "Armleder-Verfolgung" betroffen. Danach gibt es mehrere Jahrzehnte keine Nachrichten mehr über Juden in der Stadt. Erst 1381 erfährt man wieder über einen jüdischen Einwohner. In den folgenden Jahrzehnten blieb die Zahl der Juden in der Stadt offenbar gering. Einzelne zogen zu aus Ingolstadt (1381), Lindheim (1452) und Eppstein (1460), einer wanderte nach Gelnhausen ab (1381). Die jüdischen Einwohner lebten überwiegend vom Geldverleih. 1449 wird namentlich Enßgin, Jude aus Büdingen genannt, der in Frankfurt einen Prozess führte.
  
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück. Ab 1656 sind ständig jüdische Bewohner nachweisbar (1656 Pferdehändler Jud Schmey mit Frau und Kindern lassen sich nieder). Im 18. Jahrhundert werden 1727 5, 1753 13 "Schutzjuden" (mit Familien, d.h. 50 bis 60 jüdische Einwohner) genannt. Die Gründung einer Gemeinde wird auf die Zeit um 1700 zurückgehen. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte die Gemeinde zeitweise einen Rabbiner. 1785 gab es in der Stadt zehn "Judenhäuser".    
 
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1809 11 jüdische Familien (bei insgesamt 2.052 Einwohnern), 1816 45 jüdische Einwohner, 1822 8 Familien, 1830 60 jüdische Einwohner, 1839 100 (3,7 % von insgesamt 2.712 Einwohnern), 1871 119 (4,7 % von 2.512), 1888 166, 1890 146 (5,6 % von 2.621), 1905 161 (4,7 % von 3.406), 1910 151 (4,6 % von 3.298). Auch die in Lorbach (heute Stadtteil von Büdingen) lebenden jüdischen Personen gehörten zur Gemeinde in Büdingen (1830 11 jüdische Einwohner, 1924 2).  

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule (Elementarschule ab 1839), ein rituelles Bad (Schule und Bad befanden sich seit 1913 in einem Gebäude hinter der Synagoge in der Mühltorstraße; das Bad bekam das Wasser vom Seemenbach; im Gebäude war auch die Unterstellmöglichkeit für den Leichenwagen der jüdischen Gemeinde) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den Lehrern im 19. Jahrhundert ist vor allem Naphtali Ottensoser zu nennen, der ein Handelslehrinstitut betrieb, das er jedoch 1877 nach Mellrichstadt verlegte. Im 20. Jahrhundert ist  Max Halberstadt (aus Schupbach) zu nennen, der von 1902 bis 1936 als Volksschullehrer in Büdingen tätig war. Die Gemeinde gehörte zum liberalen Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in Gießen.  
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Gilbert Weill (geb. 24.2.1877 in Scherweiler, gef. 29.10.1914). Außerdem fiel Otto Grünebaum (geb. 15.2.1881 in Büdingen, vor 1914 in Gießen wohnhaft, gef. 2.9.1917). 
   
Von 1926 bis 1930 war im Stadtrat der politischen Gemeinde Abraham Sichel.  
 
Um 1924, als 148 jüdische Einwohner gezählt wurden (4,2 % von insgesamt 3.548), waren die Vorsteher der Gemeinde David Kulp, S. Goldschmidt und D. May. Als Kantor, Religionslehrer der Gemeinde und Lehrer an der staatlichen Simultanschule war der bereits genannte Max Halberstadt tätig. Er erteilte an der Volksschule und am Gymnasium den jüdischen Kindern Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen gab es insbesondere den Wohltätigkeitsverein Chewra Gemiluth Chessed (1924 unter Leitung von J. Rosenberg), die Unterstützungskasse (1924 unter Leitung von Max Halberstadt) und den Synagogenchor (1924 unter Leitung von Abraham Eilau). 1932 waren die Gemeindevorsteher David Kulp (1. Vors.), Josef Aul (2. Vors.) und Abraham Freimark (3. Vors.). Zur Repräsentanz gehörten drei Mitglieder. Als Lehrer und Kantor war weiterhin Max Halberstadt in der Gemeinde (bis 1936). Im Frühjahr 1931/32 erteilte er 14 jüdischen Kindern den Religionsunterricht.  

1933 lebten noch 146 jüdische Personen in der Stadt (3,9 % von 3.748 Einwohnern). Seit 1933 bis 1938 kam es in der Stadt mehrfach zu schweren Übergriffen auf jüdische Einwohner und jüdische Einrichtungen. Auf Grund dieser Übergriffe wie auch der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts sind zwischen 1933 und 1936 fast alle der jüdischen Einwohner weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Nach Angaben bei Arnsberg (s. Lit. S. 97) meldeten sich nach Frankfurt 70 Personen ab, nach anderen Orten in Deutschland 50 Personen, in das übrige Europa acht bis zehn Personen. In die USA emigrierten vier Personen, nach Südamerika acht, nach Palästina eine Person; zwei Abmeldungen nach "unbekannt". Nach 1936 lebten nur noch wenige jüdische Personen mehr in Büdingen, darunter der gelähmte Herr Hirschmann. 1937 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst. Die letzte Abmeldung ist 1939 registriert, sodass von Büdingen aus keine direkten Deportationen stattfanden.         
     
Von den in Büdingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Ludwig Berg (1899), Selma Eichenbaum geb. Grünebaum (1885), Siegfried Eulau (1881), Johanna Frenkel geb. Oppenheimer (1886), Gertrud Goldschmidt (1921), Sally Goldschmidt (1885), Berta Goldstein geb. Schiff (1890), Minna Grünebaum (1878), Emma Hahn geb. Rosenberg (1897), Siegfried Halberstadt (1903; Sohn von Lehrer Max Halberstadt, Chemiker, von Frankreich aus deportiert), Adolf Henlein (1867), Rosa Heß geb. May (1883), Gustav Hirschmann (), Fanny Jacob geb. Lambert (1881), Josef Jacob (1875), Günther Kaufmann (1922), Clothilde Mannheimer geb. Gutheim (1872), Paula May geb. Schiff (1889), Lina (Lea) Münz (1877), Erna Nußbaum geb. Sichel (1891), Heinz Walter Nußbaum (1923), Toni Nußbaum geb. Sichel (1901), Frida Oppenheimer geb. Rosenberg (1900), Marga H. Oppenheimer (1933), Nanny Plaut geb. Grünebaum (1883), Jacob Rosenberg (1860), Kurt Rosenberg (1930), Rosalie Rosenberg geb. Meyer (1863), Ida Rothschild (1890), Mascha (Martha) Rothschild geb. Lindheimer (1898), Selma Rothschild geb. Lahnstein (1888), Paul Sichel (1908), Hermann Weil (1885), Liesel Wetterhahn geb. Kulp (1912).  
     
Nach 1945 wohnten einige Jahre insgesamt drei jüdische Personen in Büdingen, die Überlebende der Shoa aus Osteuropa waren und nicht aus Büdingen stammten.  
   
Anlässlich des 50. Jahrestages des Novemberpogroms 1938 wurde 1988 eine Gedenktafel an der Vorderseite des Heuson-Museums im Rathaus angebracht mit dem Text: "Den Toten zum Gedenken - den Lebenden zur Mahnung. Zur Erinnerung und zum Gedenken an unsere durch die nationalsozialistische Diktatur ihrer Existenzgrundlage beraubten verfolgten und ermordeten Mitbürger der Jüdischen Gemeinde in Büdingen. Wir trauern um das Leid aller Büdinger Juden". 
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers, Vorsängers und Schächters 1855 / 1872  

Buedingen AZJ 13081855.jpg (33700 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. August 1855: "In Büdingen, Großherzogtum Hessen, ist die Stelle eines israelitischen Religionslehrers, Vorsängers und Schächters mit jährlicher Einnahme von circa 230 Gulden zur sofortigen Besetzung erledigt. Unverheiratete, hierauf reflektierende Lehrer wollen sich portofrei unter Beischluss ihrer Zeugnisse an den Vorstand daselbst wenden."  
    
Buedingen Israelit 21081872.jpg (35774 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1872: "In unserer Gemeinde ist die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochets alsbald zu besetzen. Fixer Gehalt 400 Gulden, anderweitiges Einkommen für die Schechita Minimum 150 Gulden jährlich. Bewerber wollen ihre Offerten an das unterzeichnete Vorstandsmitglied richten. 
Büdingen (Oberrhein*). Für den Vorstand: Max Wertheimer."
*
vermutlich verschrieben für Oberhessen, falls nicht Buding (Moselle) = Büdingen gemeint ist.

    
Einrichtung einer jüdischen Elementarschule (1839)   

Buedingen IsrAnnalen 29031839.jpg (33967 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Israelitische Annalen" vom 29. März 1839: "Auch Büdingen hat in neuerer Zeit eine Elementarschule errichtet, sie ist aber soviel wir erfahren, noch nicht definitiv besetzt, was wahrscheinlich darin seinen Grund hat, dass die Gemeinde einen so unbedeutenden Gehalt damit verbindet. Das ganze Einkommen beträgt 183 Gulden, und dazu hat der Lehrer noch die Vorsängerstelle mit zu versehen!" 

    
Der spätere Rabbiner Elkan Weimann ist - vermutlich um 1845 - als Hauslehrer in Büdingen tätig (Bericht zu seinem Tod in Stuttgart 1886)   

Buchau AZJ 12101886.jpg (58970 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Oktober 1886: "Man schreibt aus Stuttgart vom 27. September: Gestern Nacht verschied schnell an einem Schlaganfall der erst vor einigen Tagen hierher übergesiedelte pensionierte Rabbiner Weimann aus Buchau, von dessen Abschied in dieser Woche berichtet wurde. Rabbiner Weimann ist geboren zu Treuchtlingen 1818, er besuchte die dortige Volksschule, später das Gymnasium in Augsburg und 1839-43 die Universität zu München. Nachdem er als Hauslehrer in Büdingen und später in Fulda gewirkt hatte, ward er 1847-61 Rabbiner in Welbhausen (Bayern) und trat 1861 in den württembergischen Kirchendienst ein, war 1861-62 Rabbiner in Lehrensteinsfeld-Heilbronn und 1862-1886 in Buchau. Seit 3 Jahren war er kränklich und konnte seinem Amte nicht mehr vorstehen. Der Verstorbene war mit einem seltenen Rednertalent begabt."

 
Lehrer Ottensoser kritisiert eine antisemitische Publikation des Pfarrers Oeser von Lindheim (1859)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Juni 1859: "Büdingen, Großherzogtum Hessen, 17. Juni (1859). Soeben ist mir ein Schriftchen: 'Das Volk und seine Treiber', herausgegeben 'vom christlichen Vereine im nördlichen Deutschland, verfasst von O. Glaubrecht', lk. 8, zu Gesicht gekommen.  
Etwas Schändlicheres hat wohl die Neuzeit auf dem Gebiete der Intoleranz noch nicht ausgeheckt. 
Das Büchlein, 276 Seiten stark, in 8000 Exemplaren gedruckt und wohl auch verbreitet, handelt vom christlichen 'Volke' und dessen jüdischen 'Treibern'. Es ist das Ganze in eine Erzählung eingekleidet, welche christlicherseits auf Pachtgütern und sonstigen Ökonomiehöfen spielt, worin 'Juden' und 'Hofjuden' ein- und ausgehen, denen man vollständiges Zutrauen schenkt, die sich auch unentbehrlich zu machen wissen, ihren eigenen Vorteil aber auf Kosten des vollständigsten finanziellen wie familiären Ruins der Pächter und Hofbauern ausbeuten. Der judenfeindliche Verfasser sucht die Juden im Allgemeinen der öffentlichen         
Verachtung und Anfeindung Preis zu geben; er stellt die Juden zu gefährlich für die 'Christenmenschen' hin, als dass letztere sich mit ersteren in irgendwelche Annäherung oder Berührung einlassen dürften, weil die Ehrlosigkeit der Juden sie bald wie das Gewürm kriechen, bald mit einer Schlangenlist den 'Christenmenschen' vergiften lässt. Um eindringlicher und kräftiger bei den Christen gegen die Juden wirken zu können, sagt er S. 20: 'was hier steht, hat sich begehen', wäre demnach unwiderlegbare Tatsache, ohne deren Wahrheit durch Angabe von Ort und Stelle des vorgeschützten Ereignisses und der dabei beteiligten Personen sicher zu stellen.
Titel, Motto (Jeremias 5,26-30) und Inhalt des Buches beweisen, dass der Verfasser in Ausdruck und Wesenheit seiner Erzählung planmäßig den Judenfeind studiert und mit dem lebhaftesten Kolorit auszumalen verstanden hat.   So will ich nur einzelne Stellen hervorheben. S. 24: 'Das Übel ist aber, dass ich es kurz sage, die Judenkrankheit'. - S. 25: 'Die Schlange ist das Judenvolk' - 'das fremde Gewürm'. - S. 27: 'Der Jude mit den Schabbesschlappen'. - S. 45 wird den Juden 'Mangel an persönlicher Ehre' angedichtet. - S. 46 sind die Juden 'vollgesogene Schwämme, die man gelegentlich, wenn Mangel eintritt, ausdrückt'. - S. 47 macht der Verfasser sich lustig über die Juden, die 'Säckelchesboher' (Schweinwurst) essen, befürchtet, sie möchten auch noch den Schweinehandel an sich ziehen und dadurch, so wie durchs Schweinefleischessen das Schweinefleisch verteuern. - S. 53 vindiziert er den Juden das ehrbare Amt des Kartenschlagens. Wer mag alle die Schändlichkeiten noch anrufen?  
Dieser saubere Verfasser ist ein gewisser evangelischer Pfarrer Oeser zu Lindheim, 2 Stunden von hier entfernt, sehr verschuldet. Nachdem man Kenntnis von obigem Buche erhalten, haben seine zahlreichen Judengläubiger ihm den Kredit gekündigt und jeden weiteren geschäftlichen Umgang mit ihm sich verbeten (Anmerkung: Wir können dies Verfahren nur höchlichst loben. Sollen wir uns niedertreten lassen, ohne uns zu wehren? Redaktion). 
Außerdem wird eine Broschüre vorbereitet, die als Flugschrift in mehreren Tausend Exemplaren überallhin verbreitet werden soll, so wie man beabsichtigt, eine kriminelle Untersuchung gegen ihn einzuleiten. Ottensoser, Lehrer."  

      
Bericht von Lehrer Ottensoser in Büdingen über die Hilfe für eine jüdische Familie aus Ober-Seemen (1860)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. März 1860 - es handelt sich um einen längeren Bericht von Lehrer Ottensoser: "(Büdingen). Der Sohn eines kranken, jetzt verstorbenen Mannes zu Ober-Seemen begab sich zur Frau Gräfin von Stolberg-Wernigerode und Gedern ins Schloss zu Gedern, um sie zu bitten, für seinen kranken Vater etwas sog. Eingemachtes zu geben. Sie sah den Jungen an und erklärte: 'Der Vater ist ein Jude, und für Juden habe ich solches nicht.' 
Darauf kam dieser junge Mann hierher (sc. nach Büdingen), erzählte mir das Vorbemerkt. Augenblicklich begab ich mich ins hiesige fürstliche Schloss des Herrn Fürsten zu Isenburg-Büdingen, um Ähnliches für den besagten Kranken bittend, dabei erklärend, es sei für einen Juden aus Ober-Seemen, 4 Stunden von hier, bestimmt. Welcher Kontrast! Mit der größten Bereitwilligkeit und Zuvorkommenheit gab man mir das Gewünschte, mit dem Wunsche, es möchte dem Kranken wohl bekommen, und wenn es ihm zusagte, sollte ich nur wiederkommen und für denselben noch mehr derart in Empfang nehmen."            

 
Lehrer Ottensoser sorgt sich um zwei jüdische Waisenkinder (1865)  

Buedingen Israelit 01021865c.jpg (89939 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1865: "O, Ihr Reichen und Edeln in Israel! Erbarmer, Söhne von Erbarmern! Bedenket des Ausspruches: 'wer eine Seele in Israel vor dem Untergange rettet, ist, als ob er eine ganze Welt gerettet’, wie hehr und heilig die Pflicht wegen einer, hier aber gilt es zweien Seelen. O helfet, helfet! – rettet! Rettet! Ich rufe im Namen unserer heiligen Religion, im Namen zweier verlassener junger Kinderseelen, die nicht mehr Vater! Nicht mehr Mutter! Rufen können. Danke Gott dem Allbarmherzigen, dass Eure Kinder noch Eures Beistandes genießen, und diesen Dank gegen den Allvater, den Beschützer der Witwen und Waisen, betätigt durch Eure milde Gaben zur Erhaltung dieser armen Waisen! Gottes Lohn und Segen mit Euch!
Die verehrliche Redaktion bitte ich um Empfangnahme von Gaben und Beförderung derselben an den israelitischen Vorstand Herrn Joseph Eulau in Büdingen. Büdingen, 22. Januar 1865 (5625). Ottensoser, Lehrer. Wir sind bereit, die betreffenden Spenden entgegenzunehmen."
  
Buedingen Israelit 15021865.jpg (108614 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar 1865: "Büdingen, 9. Februar (1865). (Die Michelauer Waisen). Vor Allem quittiere ich hiermit eine Sendung von 5 Gulden aus Bayern (Poststempel unleserlich), mit dem Familiensiegel E.L.H. verschlossen dem ungenannten hochherzigen Spender für die armen Michelauer Waisen. Das Mädchen habe ich dahier bei einer braven Familie untergebracht; das Bübchen befindet sich in guter Verpflegung bis jetzt noch in Bindsachsen. Bei eintretender gelinder Witterung soll auch der Knabe hierher in bessere Hände gebracht werden. Für Hemden, Schuhe und Kleider habe ich, soweit nötig, gesorgt. Es lässt sich das jährliche Bedürfnis der Waisen vor der Hand und annähernd auf 140 Gulden annehmen, später, wenn das Mädchen qualifizierter geworden, auf 100 Gulden, selbstverständlich mit Vorbehalt unerwartet eintretender Umstände. Für den Knaben ist günstige Aussicht vorhanden, worüber, wenn sich das Projekt realisieren sollte, ich alsbald in diesem geschätzten Blatte referieren werde. Ich kann diesen Artikel nicht schließen, ohne Gottes – Baruch HaSchem – Segen und Gnade zu erflehen für die hochherzigen Geber zu diesem gottgefälligen Unterstützungswerke, wie es heißt: ‚erweist seine Gnade an Tausenden’. Endlich Dank, herzlichen Dank namens der hilflosen Waisen, dem Herrn Redakteur dieser geschätzten Zeitschrift. Gott, der Allvater, der Vater der Waisen, schütze und schirme sie alle. Amen! Ottensoser, Lehrer."  
 
Buedingen Israelit 08031865.jpg (130186 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1865 (leicht abgekürzt zitiert): "Büdingen, 24. Februar (1865). Habe ich in meinem ‚Auf- und Notruf’ Euch, Ihr gottbegeisterten Geber, ein trauriges Bild der grässlichsten Not vorgehalten, muss ich Euch mit innerster Freudenerregung heute, nach wenigen Wochen schon, einen getreuen Reflex des neu auflebenden Geistes dieser hart geprüften Waisen im Spiegel zeigen. – Unschuldige, freudestrahlende Blicke, nur hie und da ein Seufzer nach der verlorenen Mutter. Schon dringt durch den fahlen Teint die Morgenröte eines aufgehenden, regelrechten menschlichen Lebens, mit Reminiszenzen an die jüngste traurige Vergangenheit. Als das Mädchen zum ersten male in einem Federbette schlief, fing es laut zu weinen an, schluchzend die Hände zum Himmel erhebend, als wollte es von dort seine Mutter herabholen mit den Worten: ‚O, du liebe Mutter! Wie musstest du auf Brettern liegen, nichts unter, nichts auf dir, in gesunden wie in kranken Tagen und so elend sterben! Jetzt schlafe ich in einem Bett wie nie zuvor. Gott! O Gott! Was wäre aus mir und meinem Brüderchen geworden, hättest du nicht geholfen etc.’ – Gutmütigen Herzens, folgsamen Willens lebt es seit 14 Tagen im Hause des Vorstehers, Herrn Joseph Eulau, dahier, wie das Kind im Hause. Dieses ehrbare Haus streng religiöser Richtung, bürgt dafür, dass diese Waise eine geordnete tüchtige Erziehung in Sitte wie in Religion erhält, während ich dieselbe in Religionslehr-Gegenständen unterricht, und sie zur Erlernung weiblicher Handarbeit die hiesigen Industrieschulen besucht.
Der Knabe befindet sich bei dem Fruchthändler Is. Grünebaum I. in Bindsachsen, woselbst er gut  
Buedingen Israelit 08031865a.jpg (181876 Byte)gehalten wird, das Kaddisch so schön und so deutlich sagt, dass mancher Erwachsene sich beschämt fühlen dürfte. Sollte eine angebotene Versorgung nicht zustande kommen, so werde ich – so Gott will – den Knaben zu mir in Kost und Unterricht nehmen. Alles dieses ist nächst Gottes – Baruch HaSchem – Hilfe und Beistand durch Euch, Ihr Frommen in Israel, geworden. Die Früchte dieses Wohltuns werdet Ihr sicherlich schon hienieden genießen… 
Doch gegenüber dem öffentlichen Gekrächze eines Raben, der einen unreinen Vogel auch in anderem Gefieder erkennen und alles und jedes Gute, mit und für Gott – Baruch HaSchem – unternommen, mit seinem Geifer besudeln möchte, …  sei hier nur vorläufig erwähnt: dass in unserem Staate (gemeint: Großherzogtum Hessen) ein israelitisches Waisenhaus nicht besteht; - dass diese Waisen aus der Landeswaisenanstalt eine Unterstützung nicht anzusprechen haben; - dass mein Unternehmen dem Großherzoglichen Kreisamte dahier offen vorliegt, und ich Alles mit Vorwissen dieser Behörde und unter Vorlage betreffender Schriftstücke tue; - dass ich, behufs gerichtlicher Anordnung einer in Eid und Pflichten zu nehmenden tüchtigen Vormundschaft über diese Kinder, schon vor 10 Tagen bei Großherzoglichem Kreisamte dahier vorstellig geworden bin; - dass außer dem eventuellen Vormundspersonal und der gerichtlichen Obervormundschaft auch dem Herrn Redakteur dieses Blattes, in Vertretung des orthodoxen Judentums (von woher diese Spenden geflossen), namens der hochherzigen Spender ein entscheidendes Veto eingeräumt werde; - dass ein gehöriges gerichtliches Inventar aufgestellt, und dermaleinst die gerichtlich abgehörte Vormundsrechnung in diesem Blatt zum Abdruck und zur allgemeinen Kenntnis gelangen wird; - dass die eingegangenen und noch eingehenden Spenden durch den Herrn Redakteur dieses Blattes in Mainz selbst verzinslich angelegt werden, was auch mit dem dahier eingelangten Gelde, soweit nicht ein augenblicklicher Verbrauch vorliegt, geschehen, respektive noch geschieht. Sobald ein geordneter Zustand in dieser meiner Herzensangelegenheit nur einigermaßen hergestellt sein wird, erlaube ich mir, weiteren Bericht zu erstatten.
Ein guter Geist wache ferner über diese gottgefällige Sache…! Ottensoser, Lehrer"

   
Lehrer Ottensoser verlegt sein Institut nach Mellrichstadt (1877)  

Buedingen Israelit 31011877.jpg (31184 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1877: "Aus Oberhessen wird uns berichtet, dass in dieser Provinz weder kleinere noch größere jüdische Anstalten bestehen. Mit Aufhebung des Ottensoser’schen Instituts zu Büdingen hat die letzte israelitische Schule zu existieren aufgehört. Herr Ottensoser ist mit seinem Institute nach Mellrichstadt (Bayern) übergesiedelt, wo er dasselbe ganz nach den Intentionen seines seligen Bruders unser Lehrer, der Herr Elieser Dow seligen Angedenkens, ein Lehrer der Gerechtigkeit (d.h. Beisitzer im Rabbinatsgericht) aus der Heiligen Gemeinde Höchberg". Außer den profanen Wissenschaften in Sprachen und Handelsdisziplinen wird daselbst Tora gelehrt und Unterricht außer in Pasuk etc. auch in Erziehung und Lebenskunde fleißig und täglich erteilt."

   
   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben 
100-jähriges Jubiläum des Israelitischen Wohltätigkeitsvereins (1912)

Buedingen FrfIsrFambl 02021912.jpg (35576 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2. Februar 1912: "Büdingen. Das 100jährige Jubiläum des Israelitischen Wohltätigkeitsvereins gestaltete sich zu einer eindrucksvollen Feier. Besuch des Friedhofes, Festgottesdienst, Festessen, Theateraufführung – aus einem von unserem Lehrer Halberstadt gedichteten Festspiel bestehend – und Ball bildeten das Programm".

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Über den Bankier und Kaufmann Benjamin Lismann (1860)  

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. März 1860 (aus einem längeren Artikel von Lehrer Naphtali Ottensoser): "Büdingen ...Bezüglich Ihrer Bibelanstalt, Herr Redakteur! haben Sie hier (sc. in Büdingen) einen ebenso tüchtigen, wie einflussreichen Verfechter gefunden, in der Person des hiesigen Bankiers und Kaufmanns Herrn Benjamin Lismann. Die großartige Wohltätigkeit dieses weitberühmten Hauses, welches so viele Arme, Witwen und Waisen von Nah und Fern in seltener Weise unterstützt, gibt diesem jungen Manne einen bedeutenden Anhang, namentlich seine gediegene religiöse Richtung ist es, welche ihm das vollste Zutrauen der verschiedensten Religionsparteien erworben. Dadurch dürfte Ihnen klar werden, welche edle Absicht ihn bei diesem Unternehmen der Kollekte für die Bibelanstalt leitet, dass sein Einfluss und seine Energie ein günstiges Resultat liefern mussten. Ich lege ein desfallsiges Anschreiben des hiesigen israelitischen Vorstandes, dessen Dirigent sein Vater, Herr H. Lismann, ist, gerichtet an die israelitischen Vorstände der Provinz Oberhessen, bei, erlassen auf Veranlassung des Herrn B. Lismann. 
Derselbe hat voriges Jahr einen Wohltätigkeits-Verein für arme Kranke hiesiger israelitischer Gemeinde ins Leben gerufen, und beehre ich mich ein Statuten-Exemplar ebenfalls zu Ihrer Einsicht und Beurteilung beizuschließen.  
Ferner darf nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Haus aus eigenen Mitteln sechs vaterlose Kinder ausbilden lässt, welches aber nicht ein- für allemal geschieht, sondern sukzessive beim Austritt einer waise wird eine andere an deren Stelle aufgenommen.  Ich bin noch nicht zu Ende. Außerdem, dass dieses Haus von den jährlichen Kultuslasten der Gemeinde mehr denn die Hälfte trägt, zahlt es die Hausmiete des Lehrers und trug zu Anfang dieses Jahres darauf an, dem Unterzeichneten eine Gehaltszulage von 50 fl. zu gestatten, welche auch gegeben wird.  Ihr Reichen in Israel! lernet an solchen Beispielen Religiosität und Wohltätigkeit üben in dem daraus bezeichneten Maßstabe, dann wird zur vollen Wahrheit werden, dass nicht verwitwet ist Israel (Jeremia 51,5)."         

  
Bankier Ludwig Rothschild wird zum Landgräflich Hessischen Hofrat ernannt (1904)  

Buedingen FrfIsrFambl 30121904.jpg (45133 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 30. Dezember 1904: "Büdingen (Oberhessen). Ernennung. Unser allgemein angesehener und beliebter Glaubensgenosse Herr Bankier Ludwig Rothschild (in Firma Max Wertheimer Nachfolger), der erst unlängst in die Handelskammer gewählt wurde, ist zum Landgräflich Hessischen Hofrat ernannt worden."  
  
Mitteilung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Januar 1905: "Bankier Ludwig Rothschild in Büdingen, der erst unlängst in die Handelskammer gewählt wurde, ist zum Landgräflich Hessischen Hofrat ernannt worden."  

 
Hinweise auf jüdische Persönlichkeiten aus Büdingen      

bulletMoses Joseph Büding, Mitglied des Königlich-Westfälischen Konsistoriums; kam 1772 aus Büdingen.
bulletLeopold Harries, geb. 1874 in Himbach bei Büdingen, Politiker; war nach 1918 Polizeipräsident in Frankfurt am Main (SPD)  
bulletLudwig Wertheimer, geb. 1873 in Büdingen, Jurist (Rechtsanwalt und Notar), Privatdozent an der Berliner Universität, verfasste 1913 Kommentar zum Gebrauchsmustergesetz. 
bulletMax Grünbaum (geb. 1874 in Büdingen, gest. 1952 in Daun) war seit 1905 leitender Prokurist, 1915 bis 1933 zeichnungsberechtigtes Vorstandsmitglied beim Warenhaus Tietz (Köln). Überlebte die NS-Zeit in Belgien. Wurde 1949 zum ersten Ehrenbürger der Stadt Daun ernannt. Artikel über Max Grünbaum von Franz-Josef Schmit (eingestellt als pdf-Datei).   

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Anzeige von Bäckermeister S. Grünebaum (1901)       

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1901: "Ein selbstständiger Bäckergehilfe und ein ordentlicher Junge, der die Bäckerei erlernen will, können bei mir eintreten. 
S. Grünebaum
, Brot- und Feinbäckerei. 
Büdingen, Oberhessen."     

          
Verlobungsanzeige von Martha Oppenheimer mit Adolf Rosenberg und Frieda Rosenberg mit Hermann Oppenheimer (1929)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1929: "Martha Oppenheimer - Adolf Rosenberg. Verlobte. 
Bensheim an der Bergstraße - Büdingen. Adar Rischon 5689 (Februar / März 1929).  
Frieda Rosenberg - Hermann Oppenheimer.  Verlobte.  
Büdingen / Frankfurt am Main - Bensheim an der Bergstraße. Adar Rischon 5689 (Februar / März 1929)."  

         
Nach der Emigration: Todesanzeige für Max Stern (1945)     

Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 20. Juli 1945: "Am 19. Juni verschied unerwartet nach kurzer Krankheit, infolge einer Herzattacke, in Florida, Argentinien, mein lieber Mann, unser immer treusorgender Vater, Schwiegervater, Großvater, Bruder, Schwager und Onkel   
Max Stern
(früher Büdingen, Frankfurt am Main) 
im 68. Lebensjahre. 
In tiefer Trauer: Frieda Stern geb. Katz,  
Ludwig Stern und Frau Ilse,  Arthur Schiff und Frau Lotti geb. Stern  
Gertrud Stern
, Valentin Vargasa 1691, Florida F.C.C.A., Argentine;  
Julius Strauss und Frau Hildegard geb. Stern
, 416 Ft. Washington Ave., N.Y.C.   
Bert Stern und Frau Fritzie
, 214 West 102 Str., New York City; und 3 Enkelkinder."       

       
       
       
Zur Geschichte der Synagoge   
   
Vermutlich war bereits im Mittelalter ein Betraum beziehungsweise eine Synagoge vorhanden, doch liegen dafür keine Nachweise vor.  
 
Die neuzeitliche Gemeinde richtete in der Mitte 18. Jahrhunderts eine Synagoge ein (1753). Dazu wurde ein Haus oder ein Häuschen am/im Liebfraueneck (Obergasse) direkt an der Nordmauer erworben und zur Synagoge umgebaut. Auf der Geschichte dieser Synagoge ist zur wenig bekannt. 1865 wird immerhin von der Einweihung einer neuen Tora-Rolle, eine Tora-Weihfest berichtet:       
          
Einweihung einer Torarolle (1865)         

Buedingen Israelit 01021865a.jpg (192785 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1865: "Büdingen, 22. Januar (1865). Gestatten Sie mir, Herr Redakteur, durch Tatsachen zu beweisen, dass, wie in größeren, so in kleinen Gemeinden der religiöse Sinn im Wachsen begriffen, mit Opferfähigkeit in größerem Maßstabe gepaart ist.
Die hiesige israelitische Religionsgemeinde - auch wenn sie nur klein ist (vgl. 1. Mose 19,20) - feierte vor 3 Wochen, am Schabbat Chanukka ein Fest, das durch schwere Opfer erkauft wurde, ein Tora-Weihfest. Durch den Abzug des Herrn H. Lismann, des langjährigen Hauptes unserer Gemeinde, von hier nach München, verloren wir eine unersetzliche Persönlichkeit und damit eine ihm eigentümliche Torarolle, reich verziert mit allerlei silbernen und goldenen Ritualien (gemeint: Toraschmuck). Letzterer Verlust musste wieder ersetzt werden. Es bedurfte nur einer kleinen Anregung meinerseits, und es flossen die freiwilligen Beiträge so reichlich, dass wir eine neue Torarolle schreiben und prachtvolle Ritualien (aus der Offizin des Herrn Fürth zu Hanau) anschaffen konnten; der Weiheakt selbst war ein so erhebender, von jüdischem Geiste getragener, dass seine nachhaltige Wirkung bei Alt und Jung tagtäglich sicht- und fühlbar ist.
Da hieß es - sie gehen von Kraft von Kraft (Psalm 84,8), denn
an jenem Freitag kam die Anzeige, dass in Michelau, 1 ½ Stunden von hier, einem kleinen Vogelsberger Bauernorte, die einzige dort wohnende Israelitin unter Hinterlassung zwei unmündiger Kinder verstorben sei; das war ein uns verpflichtender Tod. Keine Kleider im Leben und keine Sterbekleider zur Bestattung. Auf meine Vorstellung bei hiesigem Kreisamte wurden mir die Mittel zur Anschaffung Letzterer aufs Bereitwilligste an die Hand gegeben, Dank unserm braven, humanen
Buedingen Israelit 01021865b.jpg (198241 Byte)Herrn Regierungsrat Follenius! Nach Schabbatausgang setzten sich aller Frauen- und Mädchen Hände in Bewegung, die sämtlichen nötigen Sterbekleider zu fertigen, mir auszuhändigen, sodass der Vorstand mit mir Sonntag früh sich an Ort und Stelle begeben, die Verstorbene in Ehren und nach allen religiösen Anforderungen zu ihrer letzten Ruhe bringen konnte. Hiermit erfüllten wir unsere Pflicht gegen die Tote, aber eine noch größere trat an uns heran, gegen die hinterlassenen Waisen. Die Bauern wollten sie an den Wenigstnehmenden unter sich in Kost und Pflege verakkordieren. Zwei jüdische Seelen sollten vor unsern Augen preisgegeben werden! Schaurig durchrieselte es mich, wenn ich die armen, nackten, verlassenen Wesen ansah, welche … ihrem Untergange entgegen gehen mussten. Fest entschlossen, gehe es wie ihm wolle, sie mussten gerettet werden… Heißt es doch 'nicht verwitwet ist Israel' (Jeremia 51,5), man wird mich nicht stecken lassen. Ich nahm die armen Wesen sogleich in Empfang und übergab sie zwei Familien in Bindsachsen, unter dem Versprechen, Zahlung für sie leisten zu wollen. So weilen sie dort schon 3 Wochen (Die Pflegeeltern sind aber selbst arm, dringen auf Zahlung und ich bin noch ohne Mittel hierzu – siehe Aufruf). Die Anstrengungen erwähnten Torafestes und der Gang nach Michelau haben mich 14 Tage aufs Krankenlager geworfen, weshalb dieser Aufruf so spät erscheint. Ich bitte die hochwürdigen Herren Rabbiner, die verehrlichen Vorsteher und meine Kollegen, sich dieser Angelegenheit mit Nachdruck anzunehmen. Ottensoser, Lehrer."    

Für die Neueinrichtung der Synagoge liegen unterschiedliche Informationen vor. Noch der einen Darstellung wurde 1883 eine neue Synagoge in dem (ehemaligen Bauernhaus) Mühltorstraße 12 bezogen. Nach der anderen Darstellung war dies erst 20 Jahre später.  
   
Demnach plante die jüdische Gemeinde erst um 1900 die Einrichtung einer neuen Synagoge. Dafür wurden Spenden gesammelt, wie man aus der Zeitschrift "Der Israelit" erfährt:      

  

Eingehende Spenden für den Synagogenbau (1904)  

Buedingen Israelit 21011904.jpg (12257 Byte)Aus einer Spendenliste in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1904: "Für den Synagogenbau in Büdingen: J.M.B. in Brieg  3 Mark."

Auf Grund dieser Spendensammlung für den Synagogenbau ist anzunehmen, dass das (schon Mitte des 19. Jahrhunderts erstellte?) Gebäude Büdinger Straße 12 1904/05 zur Synagoge und Lehrerwohnung ausgebaut wurde. Eine Bestätigung ergibt sich aus einer Notiz in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", in der von der Fertigstellung der Synagoge in Büdingen "vor den Feiertagen" (das heißt im September 1905; Rosch Haschana war am 30. September 1905) berichtet wird. Ein Fehler in der Notiz ist allerdings die Angabe, dass es sich um Büdingen in Ostpreußen handeln würde, denn dort gab/gibt es keinen Ort mit Namen Büdingen (frdl. Hinweis von Guido Herzog vom 15.11.2011).    

Graben AZJ 13101905.jpg (14480 Byte)Meldung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Oktober 1905: "Neue Synagogen wurden vor den Feiertagen eingeweiht in Briesen (Westpreußen), in Graben (Baden) und in Büdingen (Ostpreußen)."  

1912 wurde das Grundstück neben der Synagoge gekauft und auf ihm 1913 das Schulgebäude erstellt.  
  
In der Synagoge fanden 56 Männer Platz. Auf der Frauenempore hatten 60 Personen Platz (Frauen mit Kindern).  
  
In der NS-Zeit wurden bis 1936 Gottesdienste in der Synagoge abgehalten. Im Juli 1938 wurde von der auf sechs Mitglieder geschrumpften Gemeinde die Synagoge für 8.500 RM sowie der dazugehörige Garten für 2.300 RM an einen Schreiner verkauft, der das Gebäude zu einem Wohnhaus umbaute. Die Kultgegenstände wurden nach Mainz verbracht, wo sie beim Novemberpogrom 1938 zerstört wurden. Das Schulgebäude wurde vom Schreiner als Lager verwendet. 
    
Auch nach 1945 wurde das ehemalige Synagogengebäude als Wohnhaus verwendet, das Hintergebäude als Lagerhaus (um 1970 Lager für Weißbindergeschäft). Einige Jahre später stand das Schulgebäude leer.   
     
     
Adresse/Standort der SynagogeMühltorstraße 12 
  
Hinweis: in einer Vitrine im Heuson-Museum sind Urkunden zur jüdischen Geschichte in Büdingen ausgestellt, gleichfalls finden sich dort eine Tora und rituelle Gegenstände. Link zur Website des Heuson-Museums (Geschichtsverein Büdingen). Das Heuson-Museum befindet sich in der Rathausgasse 6 in Büdingen (Tel. 06042-950032)    
        
        
Fotos
(Quelle: Altaras s.Lit. 1988 S. 183; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.3.2009).   

Ehemalige Synagoge 
und Schulgebäude 1985
Buedingen Synagoge 130.jpg (101035 Byte)
    Links der ehemaligen Synagoge ist das Schulgebäude zu sehen, in dem sich auch 
das rituelle Bad befand.   
      
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge 
im März 2009
Buedingen Synagoge 140.jpg (87574 Byte) Buedingen Synagoge 142.jpg (74535 Byte)
     
     
 Die 1988 angebrachte Gedenktafel an der
Vorderseite des Heuson-Museums im Rathaus
(Foto: Klara Strompf, Aufnahme vom 24.9.2017)
   

   
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
 

Dezember 2007: Die Verlegung von "Stolpersteinen" in Büdingen wird beschlossen - ein Spendenkonto wird eingerichtet    
Im Dezember 2007 wurde von der Büdinger Stadtverordnetenversammlung die Beteiligung an der 'Aktion Stolpersteine' beschlossen. Mit diesen Gedenksteinen soll der jüdischen Bürger gedacht werden, die aus Angst vor dem nationalsozialistischen Terror aus Büdingen flüchteten. Vor ihren letzten selbstgewählten Wohnstätten sollen Gedenkplatten aus Messing mit den eingravierten Namen in den Boden eingelassen werden..."   
    
Juli 2009: Mitteilung zur zweiten Stolpersteinverlegung im Oktober 2009   
Pressemitteilung der Stadt Büdingen vom 20. Juli 2009 (Quelle): 
"Büdingen: Zweite Verlegung von 'Stolpersteinen' in Büdingen – Weitere Sponsoren gesucht.  
Büdingen
. Am 21. Oktober werden in Büdingen erneut 'Stolpersteine' gegen das Vergessen der Opfer der NS-Zeit gelegt. Der Künstler Gunter Demnig aus Köln erinnert damit an diese Menschen, indem er vor deren letzten selbst gewählten Wohnorten Gedenktafeln aus Messing in den Straßenbereich oder in den Bürgersteig einlässt. Inzwischen liegen Stolpersteine in über 350 Orten in Deutschland, Österreich, Ungarn und in den Niederlanden. Mit den Steinen vor den Häusern bleibt die Erinnerung an die Menschen, die einst hier wohnten, lebendig.   Auf den Steinen steht: HIER WOHNTE … Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch. 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', sagt Gunter Demnig.
Bei der ersten Verlegeaktion im September 2008 wurden an fünf Stellen in der historischen Stadt 15 Steine verlegt. Die Gelder dafür wurden von Büdinger Bürgern aufgebracht. Auch diesmal ruft Joachim Cott als Initiator der Aktion zu Spenden auf. 'Die Verlegung eines Steins kostet 95 €. Damit sind alle Kosten für Material und Verlegung abgedeckt, um einem der Opfer zu gedenken.' Einzahlungen bitte auf das Konto der Stadt Büdingen, Konto-Nr. 012 100 0849, BLZ 518 500 79 bei der Sparkasse Oberhessen. Damit die Zuordnung eindeutig ist, bitte 'Aktion
Stolpersteine' auf der Überweisung vermerken.
Im Dezember 2007 hatte die Büdinger Stadtverordnetenversammlung die Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung beschlossen. Der Vorstand des Büdinger Geschichtsvereins ist im Moment dabei, die Auswahl für die diesjährige Verlegung zu treffen. Fragen zu der Aktion beantwortet Joachim Cott per Mail  oder Tel. 06042-952334".
Quelle: Stadt Büdingen – Pressestelle   
  
Oktober 2010: Dritte Verlegung von  "Stolpersteine" 
Artikel links von Oliver Potengowski im "Kreis-Anzeiger" vom 16. Oktober 2010 (Artikel): "Lebensdaten offenbaren Ausmaß des Leids
BÜDINGEN. Weitere 15 Stolpersteine erinnern in Büdingen an vertriebene jüdische Mitbürger - 'Siedlungsstruktur wird deutlich' 

(ten). Mit 15 weiteren Stolpersteinen wird seit Freitag an die Vertreibung jüdischer Familien und Kultur aus Büdingen erinnert. Im Beisein von Pfarrerin Ina Petermann, Mitgliedern des Kirchenvorstands, des Stadtverordneten Joachim Cott und des Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Willi Luh, ersetzte der Künstler Gunter Demnig Pflastersteine durch von ihm gestaltete Steine mit Messingkappe. 
Cott berichtete, dass bereits 34 Steine in Büdingen verlegt worden seien. 'Langsam haben wir in der Büdinger Altstadt ein ganzes Gerippe von Steinen.' Damit werde auch eine Siedlungsstruktur deutlich, in der jüdische und christliche Mitbürger unmittelbar nebeneinander gewohnt hätten. 'Es gibt damit viel mehr Gründe, hinter die Häuser zu schauen.'..."    
 
Juli 2012: Führung "Geschichte der jüdischen Mitbürger"    
Artikel im "Gelnhäuser Tageblatt" vom 18. Juli 2012: "Büdingen - Erste Synagoge war im Liebfraueneck. Premiere der Führung 'Geschichte der jüdischen Mitbürger in Büdingen' stößt auf großes Interesse - Wiederholung geplant...." 
Link zum ArtikelErste Synagoge war im Liebfraueneck (Gelnhäuser Tageblatt, 18.07.2012)  
Hinweis: am Sonntag, 5. August 2012 findet eine zweite Führung zur 'Geschichte der jüdischen Mitbürger in Büdingen' statt. Beginn ist um 14.30 Uhr, Treffpunkt ist auf dem Marktplatz. Anmeldungen nimmt die Tourist-Information (Marktplatz 9) unter der Telefonnummer 06042/96370 oder per E-Mail  entgegen.  
 
Juli 2012: Die Einrichtung einer Gedenkstätte zur Geschichte der Juden in der Stadt wird angeregt 
Artikel (stark gekürzt) von Jutta Martini im "Gelnhäuser Tageblatt" vom 21. Juli 2012: "Gedenkstätte zur Erinnerung an Juden
BÜDINGEN. Willi Luh regt Einrichtung in ehemaliger Schule an - Derzeit keine Bereitschaft von Eigentümer zur Zusammenarbeit...
...Willi Luh, dem ehemaligen langjährigen Vorsitzenden des Büdinger Geschichtsvereins, ist es zu verdanken, dass das Schicksal der Juden im Dritten Reich in Büdingen erforscht wurde. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die Geschichte und Kultur der Juden in Büdingen wurden in Band XVII der Büdinger Geschichtsblätter aus dem Jahre 2001 veröffentlicht. Luh regt nun an, in dem Gebäude der ehemaligen jüdischen Schule und des Judenbades im Hinterhof der Mühltorstraße 12 eine Gedenkstätte für die Büdinger Juden zu errichten...
Die Gebäude in der Mühltorstraße wurden 1938 verkauft und befinden sich noch immer im Privatbesitz. 'Es gab Gespräche mit dem Besitzer', berichtet Büdingens Bürgermeister Erich Spamer. Dieser habe aber sehr hohe Forderungen gestellt, die die Stadt nicht bereit sei, zu zahlen. Das bestätigt Erster Stadtrat Manfred Hix: 'Von der Seite des Eigentümers gab es keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit.' Man werde das Projekt allerdings im Auge behalten. 'Wer weiß, wie es weitergeht. Vielleicht bietet sich später eine Chance, die wir nutzen können', so Hix."  
Link zum Artikel: Gedenkstätte zur Erinnerung an Juden (Gelnhäuser Tageblatt, 21.07.2012)    
 
April 2017: Eine Gedenktafel für die Büdinger Opfer der NS-Zeit wird aufgestellt  
Artikel von "ihm" im "Kreisanzeiger" vom 22. April 2017: "149 Namen: Büdinger Parlament beschließt Erinnerungstafel für Holocaust-Opfer
Mehrheitlich beschloss das Stadtparlament bei seiner Sitzung, eine Gedenktafel für die Büdinger Opfer der Judenverfolgung und -ermordung während des Dritten Reiches zu installieren.
BÜDINGEN
- Mehrheitlich beschloss das Stadtparlament bei seiner jüngsten Sitzung am Freitagabend, eine Gedenktafel für die Büdinger Opfer der Judenverfolgung und -ermordung während des Dritten Reiches zu installieren. Ort soll eine zentrale Stelle in der Stadt sein. Zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung kamen aus der NPD-Fraktion. Wie Sieglinde Huxhorn-Engler (SPD) am Freitagabend im Historischen Rathaus ausführte, hat sich der städtische Ausschuss für Jugend, Kultur und Soziales kürzlich eingehend mit dem FWG-Antrag auseinandergesetzt, eine Namenstafel zum Gedenken an die jüdischen Bürger zu errichten, die während des Dritten Reichs verfolgt und ermordet wurden. 'Der vorliegende geänderte Beschlussvorschlag ist das Ergebnis dieser ausführlichen Diskussion', sagte die Ausschussvorsitzende. Nicht alle Schicksale der 149 Bürger jüdischen Glaubens, die 1933 in der Büdinger Kernstadt lebten, könnten im Detail nachgezeichnet werden. Das Gremium sei überzeugt, dass Verfolgung nicht mit Ermordung beginne, weshalb der Antrag erweitert wurde: 'Alle 149 Namen sollen genannt werden und zwar, wie es in dem Antrag hieß, im Herzen der Stadt.' Wie Huxhorn-Engler erläutert, spiele das namentliche Gedenken im Judentum eine übergeordnete Rolle, werde doch die Tradition von Generation zu Generation, von Individuum zu Individuum, weitergegeben und als nicht endende Kette verstanden. Die Worte 'Jischor - Gedenke!' und 'Zachor! - Gedenke und Handle!' seien wichtige Forderungen der hebräischen Bibel. 'Sie sind Bestandteile der jüdischen Identität und für Täter wie Opfer Voraussetzung für Vergebung und Versöhnung.' Dies gelte auch für den jüdisch-christlichen Kulturkreis. Wichtig sei, so Huxhorn-Engler, das Gedenken nicht kollektiv, sondern individuell zu vollziehen, 'dass damit den Opfern ihre Identität zurückgegeben wird'. Die Namenstafel sei ein Zeichen dafür, dass die Büdinger Zivilgesellschaft 'auf dem Weg zu einem mündigen Umgang mit der eigenen Geschichte ist'. Geschehenes Unrecht könne nicht ungeschehen gemacht werden, aber symbolisch könnten die damals verfolgten vertriebenen und ermordeten Menschen gleichsam in ihre Heimatstadt zurückgeholt werden. Wie Daniel Lachmann (NPD) entgegnete, habe er bereits im Januar seine 'Ablehnung der ewigen Schuld- und Sühne-Politik' geäußert. 'Niemand tut etwas Positives, wenn er an der Vergangenheit festhängt', erklärte er. Joachim Cott (Grüne) nannte es 'unendlich wichtig', die Erinnerungskultur aufrecht zu erhalten. 'Dies zeigt sich am Beispiel von vier Abgeordneten', sagte er. Das Bekennen einer Stadt, das Sich-erinnern-wollen, müsse gepflegt werden. 'Es ist Geld, das wir in die Erinnerung vergessener Schicksale investieren - und das ist es wert.' Bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung aus der NPD-Fraktion beschloss das Parlament die Gedenktafel."
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Mai 2017: Forderung nach Herrichtung des "Judenbades"   
Artikel im "Kreis-Anzeiger" vom 31. Mai 2017: "Grüne: Judenbad soll wieder sichtbar werden
BÜDINGEN
. 'Es gibt Ecken in Büdingen, die sind einfach würdelos. Das Judenbad im Hof der ehemaligen Synagoge in der Mühltorstraße 12, ein wichtiges Element in der Geschichte und Kultur der Juden in Büdingen, zählt dazu', sagt Joachim Cott, Fraktionsvorsitzender der Büdinger Grünen. In einer Pressemitteilung spricht sich der Kommunalpolitiker dafür aus, dass das Judenbad wieder sichtbar werden soll. Zudem geht er auf die Bedeutung des Bauwerks in der Geschichte Büdingens ein. Für die Erinnerung an die einstige jüdische Gemeinde in der Stadt habe das Gebäude einen hohen Wert. Sein momentaner Zustand sei laut Cott miserabel und bedürfe dringender Abhilfe. Seine konkrete Vorstellung: 'Dazu soll die vorliegende pflanzliche Überwucherung entfernt werden, um das Gebäude wieder sichtbar werden zu lassen.' Entsprechende Schritte haben die Büdinger Grünen bereits in die Wege geleitet. In der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ist auf Antrag der Grünen der Magistrat der Stadt Büdingen beauftragt worden, mit dem Eigentümer des Gebäudes Gespräche über die Entfernung des Bewuchses des Judenbads aufzunehmen. Dabei soll auch die Landesdenkmalbehörde beteiligt werden.
In der Presseerklärung ordnet Joachim Cott die Bedeutung des Judenbads für Büdingen entsprechend ein. 'Stolpersteine wurden gesetzt, Gedenktafeln beschlossen, Bücher geschrieben, Zeitzeugen eingeladen – für die Erinnerungskultur an die einstige jüdische Bevölkerung geschieht vieles in unserer Stadt – nur das Judenbad, eingehüllt in einen dichten Efeumantel – bleibt der Gegenwart und damit der konkreten Anschauungserinnerung verborgen', betont er. Das könne nach Ansicht der Grünen so nicht weitergehen. 'Das Judenbad soll freigelegt werden, soll wieder ein Baustein der Stadthistorie werden, soll als ein Ort des jüdischen Glaubens sichtbar werden', bringt der Grünen-Fraktionschef am Ende der Erklärung zum Ausdruck. Für den Kommunalpolitiker steht fest: 'Die politische Korrektheit gehört nicht auf den Müllhaufen der Geschichte, sondern sie ist Teil unserer Kulturgeschichte.'" 
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April 2018: Mitglieder des Magistrats polieren die "Stolpersteine"    
Artikel im "Kreis-Anzeiger" vom 25. April 2018: "Starkes Zeichen des Magistrats
BÜDINGEN -
(co). Mit der Reinigung und dem Polieren der vor mehreren Jahren in Büdingen und zwei Stadtteilen verlegten Stolpersteine will der Magistrat die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger auffrischen, die einst in Büdingen gelebt haben und im Dritten Reich in Konzentrationslager deportiert wurden oder fliehen mussten, um zu überleben. Die Stadträte Tim Strehm (FWG) und Reinhold Dießl hatten die Ideen. "Wir sollten die Stolpersteine sauber machen, damit sie wieder mehr ins Auge fallen", regte Strehm vor einiger Zeit an. 'Dann soll es aber der Magistrat machen, um ein Zeichen zu setzen', ergänzte Dießl. In mehreren Etappen hatte der Künstler Gunter Demnig auch in Büdingen Stolpersteine gegen das Vergessen der Opfer des NS-Regimes gelegt. Die Gedenktafeln aus Messing in der Größe eines Pflastersteins wurden vor den letzten selbst gewählten Wohnungen in den Straßenbereich oder in den Bürgersteig eingelassen. Inzwischen liegen Stolpersteine in über 350 Orten in Deutschland, Österreich, Ungarn und in den Niederlanden. Mit den Steinen vor den Häusern bleibt die Erinnerung an die Menschen, die einst dort wohnten, lebendig. Festgehalten auf den Steinen sind die Namen der Menschen, ihr Jahrgang, Deportation, Ermordung oder Flucht. Direkt vor der Büdinger Tourist-Information liegen die Gedenksteine für die Familie Goldschmidt: Adolf und Hedwig Goldschmidt, Jahrgang 1882 und 1892, und ihre Töchter Gertrud und Inge, geboren 1921 und 1926. Die ganze Familie ist 1942 ins Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet worden. Ebenfalls in Häusern am Marktplatz und in der Straße Altstadt wohnten die Familien Max und Berta Salomon mit ihren Kindern Irmgard, Lothar und Margot und die Familie Fritz und Selma Levi mit Tochter Erika. Sie verließen bereits 1935 ihre Heimat, flohen nach Südafrika und konnten dort überleben. Drei Jahre später, 1938, machten sich auch Abraham und Klara Münz auf den Weg nach Südafrika, um in Büdingen der Deportation in ein Konzentrationslager zu entgehen. In der ehemaligen Kreisstadt verlegte Gunter Demnig noch weitere Gedenksteine in der Schlossgasse, Obergasse, Erbsengasse und Müllergasse sowie in der Bahnhofstraße. Darüber hinaus in Düdelsheim in der Straße 'Am Weinberg' und in der Hauptstraße sowie in Eckartshausen in der Burggasse. Alle Stolpersteine werden von Magistratsmitgliedern gereinigt und poliert."  
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Januar 2020: Neue Stolperstein-Arbeitsgruppe geplant 
Artikel im "Kreis-Anzeiger" vom 5. Januar 2020: "Stolpersteine: Arbeitsgruppe geplant. Gegen das Vergessen: Der Geschichtsverein sucht Projektteilnehmer, um weitere Gedenksteine zu verlegen.
BÜDINGEN. Bei der letztjährigen Gedenkveranstaltung zum 9. November sprach eine Besucherin den Vorsitzenden des Büdinger Geschichtsvereins, Joachim Cott, darauf an, dass sie sich gerne in einer Arbeitsgruppe zur Verlegung weiterer Stolpersteine engagieren möchte. Eine solche Arbeitsgruppe soll nun entstehen. 2007 hatte die Stadtverordnetenversammlung für die Verlegung von Stolpersteinen gestimmt. Diese Steine - inzwischen wurden über 75.000 deutschland- und europaweit verlegt - schaffen eine nachhaltige Erinnerung an den Holocaust und sind zugleich aktuelle Mahnmale in einer Gesellschaft, in der antisemitische Attacken immer häufiger auftreten. 63 Steine sind inzwischen in Büdingen verlegt worden. Ziel ist es, für alle 149 Mitglieder der ehemaligen jüdischen Gemeinde Stolpersteine zu setzen. 'Jeder Einzelne hat diese Erinnerung verdient, auf dass alle Namen nicht vergessen werden und sie damit bleibender Teil der lokalen Erinnerungskultur werden', schreibt Joachim Cott. Daher würde es der Büdinger Geschichtsverein begrüßen, wenn eine Arbeitsgruppe die Recherchen vornehmen würde, die notwendig sind, um weitere Stolpersteine zu verlegen. Was bisher zur Geschichte der Büdinger Juden zusammengetragen wurde, finden Interessierte auf der Homepage des Heuson-Museums unter www.heuson-museum.de unter dem Link zur jüdischen Geschichte. Wer Interesse an einer Mitarbeit bei diesem Projekt hat, kann sich bei Joachim Cott unter der Rufnummer 06042/952334 oder per E-Mail an joachim.cott@geschichtsverein-buedingen.de  informieren. Der Start der Arbeitsgruppe ist für Anfang März vorgesehen. Datum, Uhrzeit und Ort für ein erstes Treffen werden noch bekannt gegeben."
Link zum Artikel   
 

       
       
Links und Literatur

Links:   

bulletWebsite der Stadt Büdingen 
bulletWebsite des Geschichtsvereins Büdingen (mit Heuson-Museum)   
bulletWebsite der Geschichtswerkstatt Büdingen mit Seite zur jüdischen Geschichte 
bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Büdingen 

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 142-143; III,2 S. 192.
bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 96-97.   
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 182-183.  
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 148. 
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 98-99. 
bullet Büdinger Geschichtsverein (Hrsg.): Zur Geschichte und Kultur der Juden in Büdingen und Umgebung. Museumsinformation 5/1981. Erg. Aufl. Büdingen 1999.
bulletKlaus-Peter Decker: Der Streit um die Aufnahme des Juden Schmey in Büdingen nach dem Dreißigjährigen Krieg, in: Büdinger Geschichtsblätter. Bd. XII. Hrsg.: Büdinger Geschichtsverein. Büdingen 1984. 
bullet Rainer Heß: Unbewältigte Vergangenheit, in: Chronik Düdelsheim 792–1992. Festschrift. Büdingen 1992. 
bullet Hans-Velten Heuson: Max Halberstadt. Ein jüdischer Lehrer und Erzieher in Büdingen, in: Büdinger Geschichtsblätter. Bd. XIII. Hrsg.: Büdinger Geschichtsverein. Büdingen 1988.
bullet Willi Luh/ Gisela Lorenzen/ Monica Kingreen/ Werner Wagner/ Christa Wiesner: Mehrere Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in Büdingen, zur Entrechtung und Vertreibung, zu Terror und Gewalt, in: Büdinger Geschichtsblätter. Bd. XVII. Hrsg. Büdinger Geschichtsverein. Büdingen 2001. 
Darunter die Beiträge von Monica Kingreen: Terror und Gewalt gegen jüdische Familien Büdingens im Jahr 1935, in: Büdinger Geschichtsblätter Band XVII, 2001 (erschienen 2002), S.271-282 sowie: Spuren der während der NS-Zeit deportierten und ermordeten jüdischen Büdinger, in: Büdinger Geschichtsblätter Band XVII, 2001 (erschienen 2002), S.303-316.  
bulletJudenBdingenCover.jpg (37231 Byte)  Willi Luh: Zur Geschichte und Kultur der Juden in Büdingen. Paperback. 270 S. ISBN 978-3-939454-76-1   12,00 € zzgl. Versand. 
Erhältlich beim Geschichtsverein Büdingen: www.geschichtsverein-buedingen.de   
Weitere Informationen http://www.geschichtsverein-buedingen.de/index.php/publikationen     

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Buedingen  Hesse. Established around 1680, the community numbered 161 (4,7 % of the total) in 1905. During the Weimar Republic, local Jews (mostly livestock dealers and storekeepers) were active in social and political life. The Jewish population numbered 146 (3,9 %) in 1933 but the community disbanded in 1938, after many Jews had emigrated or fled to other towns. Five families remained on Kristallnacht (9-10 November 1938), when a mob attacked Jewish homes and stores. After the men were released from the Buchenwald concentration camp, all but one of the Jews left.   
    
      

                   
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Stand: 18. Mai 2020