Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Gerstheim (Dep. Bas Rhin /Alsace / Unterelsass) 
Synagogue / Synagoge

Übersicht:  

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Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde   

Gerstheim Info 010.jpg (180159 Byte)links: französisches Informationsblatt zur jüdischen Geschichte in Gerstheim; 
Quelle: http://www.cc-rhin.fr/ged/circuit-historique-interieur.pdf (Seite 3)     

In Gerstheim bestand eine zeitweise relativ große jüdische Gemeinde bis in die 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 1784 wurden 74 jüdische Einwohner am Ort gezählt.   
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1807 78 jüdische Einwohner, 1846 189, 1861 183, 1870 171, 1898 80 (in 25 Haushaltungen), 1900 82, 1910 58.       
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule (Israelitische Elementarschule/Volksschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundrt zum einen ein Lehrer angestellt, der teilweise zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war, zum anderen ein Vorbeter/Kantor. Als Lehrer wird genannt: um 1884/1902 Joseph Samuel; als Vorbeter/Kantor um 1887/1896 ein Herr Eberhardt. 1897 wurde die Schule noch von 18 Kindern besucht. Nach Auflösung der Israelitischen Elementarschule wurde 1909 (nur noch?) die Stelle des Vorsängers und Schochet ausgeschrieben. Die Gemeinde gehörte zum Rabbiner von Niedernai, ab 1910 zum Rabbinat Fegersheim. Lehrer Joseph Samuel wird auch noch bis um 1914 genannt, möglicherweise hatte er noch einzelne Funktionen als Vorbeter oder für den Religionsunterricht inne.
 
Als Vorsteher der Gemeinde wird 1896 S. Picard genannt
  
1936 wurden noch 17 jüdische Einwohner in Gerstheim gezählt. Diejenigen, die in den folgenden Jahren den Ort nicht verlassen konnten, wurden unter der deutschen Besatzung 1940 nach Südfrankreich deportiert.   
   
Von den in Gerstheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem):  Achille (Abraham) Bicard (1867), Henri Bomeisl (1901), Isidor Frank (1886), Fanny Klein geb. Weil (1896), Rachel Laulicht (1910), Gita Neuberger (1902), Lucien Picard (1890), Abraham Schwab (1880), Fanny Schwab (1920), Jean Schwab (1910), Jules Weill (1887), 
  
Nach 1945 sind wieder einige jüdische Familien zugezogen. 1953 wurden 22 jüdische Einwohner gezählt. Sie wurden vom damaligen Rabbinat in Erstein betreut.     
  
  
  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde         
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1909   

Gerstheim Alsace Israelit 24061909.jpg (47375 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juni 1909: "Die Stelle eines 
Vorsängers und Schochet
 
ist in unserer Gemeinde sofort zu besetzen. Besoldung 1.000 bis 1.100 Mark, Unverheiratete bevorzugt. Offerte beliebe man zu richten an den Vorstand 
Abraham Eberhard in Gerstheim, Elsass."   

    
Zum Tod von Rabbi Lipmann Frank (1758- 1867, zeitweise Lehrer in Gerstheim)  
Anmerkung: bei Joinville handelt es sich wohl um Joinville-le-Pont bei Paris.  

Artikel in  12. Dezember 1866: "In Joinville starb dieser Tage Herr Frank, vormals Rabbiner in Gerstheim, im seltenen Alter von 108 Jahren. Herr Frank wurde von keiner der Krankheiten heimgesucht, welchen alte Leute so oft unterworfen sind; er machte noch in letzter Zeit starke Spaziergänge, las bis zu seinem letzten Tage ohne Brille und erhielt sich sein Gehör ungeschwächt.  (F.-B.)"  
 
Malsch KA Israelit 09011867.jpg (216594 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1867: "Malsch (bei Karlsruhe), den 27. Dezember (1867). Der in Ihrem geschätzten Blatte kurz erwähnten Todesanzeige des im Alter von 108 Jahren verstorbenen Rabbi Lipmann Frank wollen Sie heute von mir, einem langjährigen Freunde desselben, eine etwas längere Biographie nachfolgen lassen. Auf ein so langes Leben passt ein so kurzer Nekrolog nicht gut. 
Rabbi Lipmann Frank wurde im Jahre 1758 in Polen geboren. Als einziger Sohn eines reichen Kaufmanns, der auch zugleich ein fleißiger Talmudist war, wurde für dieses Studium auch viel für den schönen, kräftigen und begabten Knaben verwendet. Die Eltern sahen mit Stolz und Freude, wie nach zurückgelegtem 13. Lebensjahre eine der ersten Familien des Städtchens ihr Töchterchen dem Sohne zur Braut antrug (dieses war damals das gewöhnliche Verlobungsalter in Polen). Die Verlobung wurde gefeiert, und am ersten Pessach-Tage erhielt er das erste Brautgeschenk, bestehend in einer Pelzmütze. Sein Gesellschafter, ebenfalls Bräutigam, ward gleichfalls beschenkt, aber mit einer noch schöneren Pelzmütze, wenigstens nach der Ansicht des Bräutigams. Kleine Ursachen, große Wirkungen! Wer von den geneigten Lesern würde sich wohl denken können, dass die Differenz beider Pelze (nach menschlicher Berechnung) die Differenz zwischen vielen glücklichen und unglücklichen Jahren wurden? Lipmann Frank wurde von seinem Kameraden wegen der geringeren Mütze verspottet und verhöhnt. Der tief gekränkte Knabe fasste mit Blitzesschnelle seinen Entschluss: 'Ich nehme meine Braut nicht!' Sein Vater fuhr ihn darüber hart an, hielt es aber nur für vorübergehende Laune. Am achten Pessachtage schickte er ihn zu seinem Schwiegervater, um sich von demselben ihm Talmud examinieren zu lassen. Bei seiner Rückkehr davon in Gegenwart mehrerer Kameraden über den Erfolg befragt, antwortete er: 'Ich habe gut gekonnt, mein Schwiegervater war sehr zufrieden mit mir, aber ich nehme doch meine Braut nicht.' Da er trotz aller Gegenreden seines Vaters auf seinem Entschluss beharrte, erhielt er von dem erzürnten Vater derbe Schläge. Diese Züchtigung, in Gegenwart anderer, versetzte diesen feurigen, polnischen Knaben in solche Aufregung, dass er unter heftigen Tränen seinem Vater zurief: 'Du schlägst mich und siehst mich in deinem Leben nicht mehr'. Am anderen Morgen schon konnte man den jungen Starrkopf mit einem kleinen Bündelchen unter dem Arme, in Abwesenheit seiner Eltern, die so etwas nicht ahnten, der Heimat, die er nie mehr sehen sollte, entlaufen sehen, ohne dass der Flüchtling auch nur einen einzigen, wehmütigen Blick rückwärts geworfen hätte. Fort, recht weit fort, war sein einziger Gedanke, seine einzige Freude, sein einziger, glühender Wunsch. So wanderte er mehrere Tage und kam endlich unter vielen Strapazen und Entbehrungen in Gesellschaft eines 
Malsch KA Israelit 09011867a.jpg (364027 Byte)andern Talmudjüngers, den er auf der Reise getroffen, in das Beth Hamidrasch des weitberühmten, ausgezeichneten Koldonitzer Magid, denn damals gab es für die israelitischen Jünglinge Polens nur eine Beschäftigung, nämlich das Lernen der Tora. Hier studierte er mehrere Jahre eifrig Talmud. Da wollte ein reicher Mann aus Koldonitz seine Tochter dem besten Schüler der Jeschiba zur Frau geben, und als solcher ward Lipmann Frank vom Rabbi bezeichnet. Die Verlobung wurde gefeiert und man freute sich sehr mit dem schönen, gelehrten Bräutigam. Nur eines trübte die Freude; es war nämlich der Name seines Vaters und seines Geburtsortes nicht aus ihm herauszubringen; doch söhnte man sich auch endlich mit dieser unheimlichen Verschwiegenheit aus und belästigte ihn nicht weiter damit. Der Tag der Hochzeit rückte näher heran. Da war es an einem Freitag, als seine Braut ihm das Mittagsmahl in das Lehrhaus brachte und beständig über ihn hin lächelte, so dass er darüber verlegen wurde. Als er aber abends ins Haus seiner Schwiegereltern kam, empfing ihn das Lächeln und Lachen aller Anwesenden, und so ging es den ganzen Sabbat über, ohne dass ihm jemand die Ursache entdeckte. Das war aber unserm Lipmann Frank nicht mehr zum Aushalten und im vollsten Zornausbruch forderte er eine Erklärung hierüber. Sein Schwiegervater gab ihm dieselbe mit Folgendem: 'Nun wissen wir deine Abstammung. So heißt dein Geburtsort, so dein Vater etc. In Königsberg zeigte ich bei Tafel die für die gekaufte Goldware, erzählte von dem sonderbaren Verschweigen deiner Herkunft und durch verschiedene Fragen eines Fremden, der zur Messe dort war, stellte es sch untrüglich heraus, dass es dein Vater war. Unsere beiderseitige, unbeschreibliche Freude wirst du dir denken können'. Ging diese Freude jetzt auch auf den Sohn über? Im Gegenteil; eiskalte Tropfen traten auf des Jünglings Stirne. Mit derselben Resignation, wie vom elterlichen, ging er auch vom schwiegerelterlichen Hause weg, gejagt von der Angst, seines Vaters Angesicht wieder zu sehen. Wieder ging es von Ort zu Ort, von Lehrhaus zu Lehrhaus, bis er endlich von einer russischen Soldatenkommission, die nächtlicherweise den Ort, wo er übernachtete, überfiel, mit noch vielen anderen konskribiert und in die Uniform gesteckt wurde. Er machte mehrere Feldzüge und Schlachten gegen Frankreich mit und kam endlich als Kriegsgefangener nach Frankreich, wo er durch List und Mithilfe einiger Glaubensgenossen ins Badische entkam, viele Jahre als Lehrer und Kantor funktionierte und endlich sich in Gerstheim niederließ, wo er sich, bereits im 40. Lebensjahre stehend, verheiratete. Während er eine Stelle im Elsass bekleidete, fiel auf ihn einmal in Folge wunderbarer Ereignisse der Verdacht, er sei ein Zauberer, was ihm viele Unannehmlichkeiten verursachte, bis die Sache sich aufklärte. - Das Glück begünstige ihn während seines ganzen ereignisreichen Lebens nur sehr selten, besonders waren ihm die letzten Jahre sehr kummerbeladen. Nach dem Tode seiner Frau vor ungefähr 40 Jahren ging er zu seinem Schwiegersohn in Kost und Logis und wurde von seiner Tochter sehr gut verpflegt. Vor ungefähr 5 Jahren aber wurde sie durch eine Gliederkrankheit fast zur Untätigkeit verdammt; einige Jahre darauf starb der Schwiegersohn, und durch die Erwerb-Verhältnisse gezwungen, musste sie mit ihren Söhnen nach Joinville übersiedeln, wohin ihr Bruder mit seiner Familie vorher schon gezogen war. Auch der 106-jährige Greis wanderte dorthin, aber die israelitische Religion wurde dort unter solchen Formen und Reformen ausgeübt, dass sein religiöses Herz darüber bracht; er riss sich von seinen Kindern, welche die Einzigen dort waren, die noch dem alten Gesetze Treue bewahrten, los und irrte einige Wochen umher, unschlüssig, wo er seinen letzten Seufzer aushauchen sollte. Besonders jetzt und auch oft schon früher bereute er bitter den jugendlichen Fehler und neigte geduldig der wohl verdienten Straße (wie er es nannte) den Rücken dar. Abermals kehrte er nach Gerstheim zurück und lebte dort bis einige Wochen vor seinem Tode, wo er seine Familie wieder besuchte und 14 Tage nach einer Operation sanft verschied. 
Er versah an den hohen Festtagen, ohne schwach zu werden, bis zum letzten Jahre Vorsängerfunktionen, selbst bei den am längsten dauernden Gebetsabteilungen. Ebenso ungebrochen wie sein Körper war sein Geist. Immer frohen Mutes erfreute er sich eines vortrefflichen Gedächtnisses, dabei aß er kaum so viel wie ein Kind von 2 Jahren, ebenso mäßig war er im Genuss geistiger Getränke. - So hat er in einem lande und zu einer Zeit diese Welt betreten, wo das Toralernen und die Ausübung der israelitischen Gesetze auf der höchsten Stufe standen, zu einer Zeit, wo der unbegreiflich und unvergleichlich große HaGaon Raw Eliahu in Wilna sein ganzes Zeitalter an das Torastudium zu fesseln wusste; und ist aus dieser Welt geschieden in einer Stadt und zu einer Zeit, wo Tora und Gesetze - doch, wozu es noch aussprechen?   Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.  H. Rothschild, Lehrer." (gemeint: Hirsch Rothschild, Lehrer in Malsch bei Karlsruhe)

      
Kantor E. Falk tritt seine Stelle in Bergheim an (1914)  
Anmerkung: nicht klar ist, ob Kantor E. Falk bisher in Gerstheim tätig war oder ob er aus Gerstheim stammte.      

Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 9. Januar 1914: "Bergheim. Nach zweimonatlicher Vakanz ist die hiesige Kantorstelle dem Herrn E. Falk aus Gerstheim übertragen worden. "    

   
    
    
Zur Geschichte der Synagoge          
    
Eine erste Synagoge wurde 1824 erbaut. Sie lag im unteren Teil des Dorfes zwischen dem Mühlbach und der "Judengasse". 1852 wurde das Gebäude beim damaligen Hochwasser des Rheins stark beschädigt. Um 1870 beschloss die Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge, die stärker im Zentrum des Dorfes liegen sollte. 

Am 14. Oktober 1874 konnte die neue Synagoge eingeweiht werden. 1883 wurde das Gebäude erneuert. 1940 wurde die Synagoge durch deutsche Soldaten geschändet und geplündert und danach als Gefangenenlager zweckentfremdet. Auf Grund der Baufälligkeit des Gebäudes wurde es 1966 abgebrochen.    
  
  
Adresse/Standort der SynagogeRue de Rhin        
   
   
Fotos   

Historische Darstellung vom
 Einweihungstag der Synagoge 1874
(Quelle)  
Gerstheim Synagogue 111.jpg (99714 Byte) Gerstheim Synagogue 112.jpg (14014 Byte)
    Blick zur Frauenempore
     

    
     

Links und Literatur  

Links:  

bulletWebsite der politischen Gemeinde Gerstheim   
bulletFranzösische Informationsseite zur Synagoge in Gerstheim    
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Gerstheim (interner Link)  

Literatur:     

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Alsace Lit 010.jpg (67412 Byte)Michel Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire. Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. S. 35.79.  

    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020