Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bibergau (Gemeinde Dettelbach, Kreis Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Zur Blutbeschuldigung 1691   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer    
Sonstiges      
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen    
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)       
    
In Bibergau bestand eine jüdische Gemeinde bis 1907. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. 1691 waren die Juden von Bibergau und Schernau im Verdacht eines Ritualmordes (siehe Texte unten). Bischof Johann Gottfried von Würzburg schützte allerdings die Juden der beiden Orte vor ungerechtfertigten Übergriffen von Seiten der christlichen Bevölkerung. Die Bluttat gegen das Kind blieb unaufgeklärt.
  
Die Blütezeit der jüdischen Gemeinde war im 18. und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Folgende Zahlen jüdischer Einwohner liegen vor: 1816 131 jüdische Einwohner (26,2 % der Gesamtbevölkerung von 499 Personen), 1833 33 jüdische Familien, 1867 91 Personen (16,6 % von 549 Personen), 1871 77, 1880 46, 1890 26, 1900 12. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder durch Aus- und Abwanderung stark zurück. 
 
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 wurden in Bibergau auf insgesamt 30 Matrikelstellen (einschließlich von vier Nachträgen 1820-24) folgende jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Selig Lazarus Grubel (Kleinhandel), Baruch Eyssig Blau (Kleinhandel), Samuel Baruch Pracht (Kleinhandel), Samuel Kuhn Steinreich (Viehhandel), Witwe von Seligmann Leser Sonnemann (weibliche Handarbeit), Maier Leser Riegel (Schmusen), Faust Isaac Bronner (Schmusen), Mannasses Goetz Schulhöfer (Handel), Meier Löb Liebich (Handel), Wolf Lustig (Handel), Marx Salomon Fernberg (Schmusen), Salomon Lazarus Grubel (Handel), Hirsch Mendel Jost (Handel), Mendel Moses Jost (ohne Erwerb), Raphael Löb Maser (Viehhandel), Samuel Salomon Feldmann (Handel), Moses Ascher Rheinmann (Metzger), Berlein Winklein (Handel), Hirsch Salomon Fernberg (Handel), Witwe von Salomon Selig Grünebaum (Handel), Selig Meier Gutfried (Handel), Haium Löb Rosenstock (Kramhandel), Seligmann Löb Laubheim (Metzger), Marx Isaac Geisberg (Handel), Samuel Jacob Lipzer (Handel), Abraham Salomon Fernberg (Handel), Jacob Samuel Schrotter (Viehhandel), Abraham Loeb Scharlach (Viehhandel) Eissig Jacob Schrotter (Viehhandel), David Löb Heuppert (Viehhandel), Löb Raphael Masser (Viehhandel und Begüterung, seit 1820), Simon Geisberger (Feldbau, seit 1821), Janntof Steinreich (Feldbau, seit 1824).    
 
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde ein Gemeindezentrum mit Synagoge, jüdischer Schule, Lehrerwohnung und rituellem Bad (s.u.). Das Gebäude, in dem sich die Einrichtungen befanden, ist 1930 abgebrannt. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof Schwanfeld beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten). Namentlich bekannt ist Lehrer Isak Weglein, der um 1870 Lehrer in Bibergau war. Nachdem die Zahl der jüdischen Einwohner in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgegangen ist, wurde der Unterricht durch den Lehrer aus Dettelbach übernommen (vgl. Anzeige von 1889 unten). Der Dettelbacher Lehrer übernahm auch das Schächten in der Gemeinde. 
    
Zum Zeitpunkt der Auflösung der jüdischen Gemeinde (1907) waren nur noch wenige jüdische Personen in Bibergau (1910: 6, d.h. 1,2 % der Gesamtbevölkerung von etwa 500 Einwohnern, 1925 gleichfalls 6). 
   
Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Bibergau noch fünf jüdische Personen. Sie gehörten zur jüdischen Gemeinde in Dettelbach. Einer verließ das Dorf vor 1939, zwei wurden am 24. April 1942 über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert. Am 10. September 1942 wurden die beiden letzten jüdischen Einwohner in das Ghetto Theresienstadt verbracht. 
  
Von den in Bibergau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Goldstein geb. Geißenberger (1867), Alfred Hennochstein (1910), Lina Hennochstein (1878), Moritz Laubheim (1866), Rosa Laubheim (1872), David Maij (1912), Arnold Schrotter (1868).
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Zur Blutbeschuldigung 1691   

Bibergau Israelit 17021927.jpg (190730 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1927: "Eine Blutbeschuldigung im alten Würzburgischen. Von Abraham Mannheimer in Dettelbach. Nicht sehr weit von Würzburg liegt der sogenannte Rothof, in dessen Nähe das unterfränkische Dort Euerfeld. Am ersten Ostertage des Jahres 1691 nach dem Pfarrgottesdienstes vermisste Jakob Essenfelder zu Euerfeld sein dreijähriges Söhnchen und am folgenden Mittwoch wurde dasselbe, mit vielen Wunden bedeckt, auf dem sogenannten Etzfeld unweit Rothof, eine Stunde von Euerfeld, in einem Kornfelde ermordet aufgefunden. Der Verdacht des Mordes wendete sich gegen die Juden zu Schernau und Bibergau, welche das Blut des unschuldigen Kinder zu religiösen Zeremonien gebraucht hätten. Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg zu Würzburg ließ alsbald die strengste Untersuchung einleiten und warnte zugleich ernstlich die Untertanen vor eigenmächtiger Bestrafung der Juden. Der Erlass des Bischofs hatte folgenden Wortlaut: 'Von Gottes Gnaden Johann Gottfried Bischof zu Würzburg und Herzog zu Franken usw.
Demnach in der wegen eines den letzt verwichenen ersten Ostertag zu Euerfeld verlorenen, und den Mittwochen darauf mit vielen Wunden auf dem sogenannten Etzfeld ohnweit dem Rothoff, ermordet gefundenen Knäbleins gegen die in Verdacht gezogenen Juden zu Scherbau und Bibergau gepflogener so güth als peinlicher Inquisition der Täter dieses erschröcklichen Mords nit an Tag zu bringen gewesen. Und dahero die Inquisition ferneres fortzusetzen, und alle möglichen Mittel, damit solche an den armen unschuldigen Kind verübte Grausamkeit herausgebracht werde, anzuwendet, vor nötig erachtet worden. Als wird hiemit und in kraft dieses offenen Patents jedermänniglichen so Christen als Juden kundt und wissendt gemacht, dass welcher wegen des Täters sothanen verübten Mords die erste gebründte Nachricht gehörigen Orten anzeigen wird, derselbe zu seiner recompens also balden huntert Dukaten bekommen, falls er aber selbsten darzu geholen haben sollte, wann er jedoch die andern Complices und Mittäter an Tag geben wird die zuverlässige Versicherung haben sollte, dass er mit einiger Straf nit belegt, sondern als wann er darzu keine Hand angelegt oder geholfen hätte, gehalten werden sollte. So hiemit jedermänniglich zur Nachricht bedeutet wird. Datum Würzburg den 10ten Junii 1692. L.S.'
Das Eingreifen des gerechten Bischofs tat Not; denn die Tat hatte die Landbevölkerung stark empört. Man begann das Grab des Kindes in der Kirche zu Euerfeld wie das eines Märtyrers zu besuchen und dort zu beten. Ein Bild des Kindes wurde verbreitet, mit Reimen, worin ausgesprochen war, es sei von den blutdürstigen Juden mit einundzwanzig Wunden hingerichtet worden. Trotz der Aussetzung von 100 Dukaten für denjenigen, der zur Entdeckung der Mörder verhelfen werde, blieb die Untersuchung ohne Erfolg. Der Bischof erließ hierauf eine erneute Mahnung an das Volk, die Bestrafung der Übertäter der rechtmäßigen Obrigkeit zu überlassen. Die Täter blieben unentdeckt und die allgemeine Aufregung legte sich allmählich. Eine blasse Erinnerung an jene Blutbeschuldigung lebt aber heute noch unter der Bauernbevölkerung von Schernau, Bibergau, Euerfeld, Esseldorf usw. fort."
  
Bibergau Israelit 04071907.jpg (272380 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1907: "Historische Reminiszenzen Unterfrankens. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Anlässlich der bereits gemeldeten Einverleibung der Gemeinde Bibergau in die zu Dettelbach möchte ich auf eine historische Tatsache zurückkommen, deren Erinnerung bis heute noch in der Gegend lebendig blieb. Es handelt sich um ein Blutmärchen aus dem Jahre 1691, das auch den Juden zu Bibergau viel Leid verursachen sollte. Die Chronik weiß darüber folgendes zu erzählen: "Am ersten Ostertag des Jahres 1691 nach dem Pfarrgottesdienste vermisste Jakob Essenfelder zu Euerfeld sein dreijähriges Knäblein, und am folgenden Mittwoch wurde dasselbe, mit vielen Wunden bedeckt, ermordet in einem Kornfelde aufgefunden. Der Verdacht des Mordes wandte sich gegen die Juden zu Schernau und Bibergau, welche das Blut des unschuldigen Kindes zu ihren religiösen Zeremonien gebracht hätten. Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg zu Würzburg ließ alsbald die strengste Untersuchung einleiten und warnte zugleich ernstlich die Untertanen vor eigenmächtiger Bestrafung der Juden. Es tat dies Not, denn die Mordtat hatte aller Herzen empört. Man begann das Grab des Kindes in der Kirche zu Euerfeld wie das eines Märtyrers zu besuchen und dort zu beten. Ein Bild des Kindes wurde verbreitet mit Reimen, worin ausgesprochen war, es sei 'von den blutdürstigen Juden mit einundzwanzig Wunden gemartert und hingerichtet worden.' Da nach Verlauf von zwei Monaten die Untersuchung ohne Erfolg geblieben war, setzte der Fürstbischof einen Preis von hundert Dukaten aus für denjenigen, der zur Entdeckung der Mörder verhelfen werde. Zugleich aber erließ er die erneute Mahnung an das Volk, die Bestrafung der Übeltäter der rechtmäßigen Obrigkeit zu überlassen. Die Täter blieben unentdeckt und die allgemeine Aufregung legte sich erst nach langer Zeit, während der die Juden zu Schernau und Bibergau gerade genug seelisches und physisches Leid zu ertragen hatten (Anmerkung: siehe Dr. Fr. Frank, kathol. Pfarrer und Reichstags- ebenso bayerischer Landtagsabgeordneter: der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit. Regensburg 1901. G. J. Manz.) - Die Tradition dieses 'Bilbul' ist in der jüngsten Generation noch lebendig geblieben; man spricht von dem Grab und Denkmal in der Kirche zu Euerfeld, und obwohl im allgemeinen nichts von Antisemitismus zu merken ist, kann man doch die Empfindung haben, dass es manchen gibt, der trotzdem heute noch glaubt, es sei 'etwas dran gewesen'. In Schernau wohnen seit langer Zeit keine Juden mehr. Ein gewisser 'Jakob Schernau' wird in jüdischen Dokumenten öfters erwähnt. Noch so manche Orte in der Nachbarschaft hatten einzelne Juden oder Gemeinden, die mit der Zeit sich auflösten, so Sommerach, wo vor mehreren Jahrzehnten die letzten Juden fortzogen. Ein 'Schuld-Abtötungsbrief an Herrn Bischofen Rudolf zu Würzburg und an Friedrich und Sigismund Markgrafen zu Brandenburg von den Judenschaft zu Kitzingen, ausgestellt 1490, 4. Januar,' erwähnt u.a. mit Namen die Juden Herman Isaac und Mosse zu Abtswindt, Aaron Johel, Anshelm der Klein Nathan, Jakob, Fischlein, Eberlein, Ganssmann, Secklin und Samuel der Alt, Juden zu Schwarzach, Gerst, Plumlein, Senderkein und Samuel der Klein, Juden zu Hurblach (jetzt Hörblach). In all diesen Orten wohnen seit Menschengedenken keine Juden mehr (siehe '*Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstentum Ansbach' von Haenle, Urkunden und Regester.) - 
Dass man beim Räumen des Inventars alter Synagogen ein wachsames Auge auf ältere Urkunden haben soll, diese Mahnung kam dem Schreiber dieses auch bei Übernahme der Synagoge zu Bibergau wieder ins Bewusstein. Unter alten zerrissenen Büchern lag ein Memorbuch, fast nur lose Blätter, doch mit tadellos schöner und gut erhaltener Schrift. Es scheint - eben wegen der sauberen Schrift - eine Kopie des Memorbuchs zu Heidingsfeld zu sein. ...  weiterer Text wird bei Gelegenheit übersetzt bzw. abgeschrieben
Bibergau Israelit 04071907b.jpg (131355 Byte)  

    
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorbeters und Schochet (1876 allein für Bibergau / 1889 von Dettelbach aus)   

1876 wurde die Religionslehrer- und Vorsängerstelle noch allein für Bibergau ausgeschrieben. Dabei wurde die Übernahme des Schächterdienstes in Dettelbach in Aussicht gestellt, was freilich nicht klar mit der Dettelbacher Gemeinde abgesprochen war. In diesen Anzeigen sah es noch eher nach einem anstehenden Anschluss von Dettelbach an die Gemeinde Bibergau aus: 
Bibergau Israelit 27091876.jpg (36403 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. September 1876: "Die Religionslehrer- und Vorsängerstelle Bibergau bei Dettelbach mit Fixum 439 Mark, Schächterfunktion 600 Mark, inkl. Dettelbach, beträchtliche Nebenverdienste, freie Wohnung, ist bis 17. Oktober dieses Jahres zu besetzen. Der Kultus-Vorstand: Pracht."
   
Bibergau Israelit 12101876.jpg (55134 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Oktober 1876: "Zur Berichtigung der Annonce im 'Israelit', Nr. 39 und 40, von Bibergau, die Aufnahme eines Lehrers und Schächters betreffend, wird andurch den Reflektierenden (zur Darnachachtung) mitgeteilt, dass bei der Gemeinde Dettelbach von einem Anschlusse an die Gemeinde Bibergau in Beziehung der Schächterfunktion noch gar keine Rede war. Dettelbach, den 1. Oktober 1876. Der Kultusvorstand David Zunz."
   
1889 wurde die Religionslehrerstelle in Dettelbach ausgeschrieben. Aus der Anzeige geht hervor, dass der Dettelbacher Lehrer damals den Religionsunterricht und das Schächten in Bibergau übernommen hatte. Nun zeichnete sich der Anschluss von Bibergau an die Dettelbacher Gemeinde ab:
Dettelbach Israelit 07031889.jpg (60723 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1889: "Israelitische Religionslehrerstelle. Bis zum 10. Juni diesen Jahres ist die hiesige Religionslehrer-, Schächter- und Kantor-Stelle neu zu besetzen. 
Nur gut qualifizierte, streng religiöse, seminaristisch vorgebildete Bewerber wollen Abschriften ihrer Zeugnisse unter Referenzangaben baldgefälligst an Unterfertigten einsenden. 
Fixer Jahresgehalt als Lehrer, Vorsänger und Schächter 740 Mark. Neue, schöne, geräumige Wohnung mit Garten 125 Mark. Mitbesorger des Unterrichtes und Schächtens in dem 3/4 Stunden entfernten Bibergau per Jahr 200 Mark. Schlachtgebühren exklusive bedeutender Nebenverdienst und exklusiver Privatunterricht mindestens 600 Mark. 
Dettelbach am Main, 3. März 1889. Der Kultusvorstand."

   
Nachruf auf den 1920 verstorbenen Lehrer Isak Weglein (um 1870 Lehrer in Bibergau)  

Demmelsdorf Israelit 01041920.jpg (69629 Byte) Lehrer Isak Weglein starb im Februar 1920 in Uffenheim und wurde im jüdischen Friedhof Ermetzhofen beigesetzt. Zu seinem Tod erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" am 1. April 1920 folgender Artikel: "Uffenheim, 1. März (1920). Vor einigen Tagen starb der hier im Ruhestande lebende Lehrerveteran I.L. Weglein im 74. Lebensjahre. Er amtierte in Bibergau, Untereisenheim und schließlich in Demmelsdorf bei Bamberg; in letzterer Gemeinde wirkte er segensreich volle 40 Jahre und erwarb sich Dank und Anerkennung der vorgesetzten Behörden. Der zur Beerdigung herbeigeeilte Distriktsrabbiner Dr. Brader aus Ansbach, skizzierte das Lebensbild des verstorbenen Lehrers, pries insbesondere seine innige Frömmigkeit, Bescheidenheit und sein stets freundliches Wesen. Auf dem Begräbnisplatz in Ermetzhofen widmete Herr Hauptlehrer Strauß von hier, dem verstorbenen Kollegen herzliche Worte der Treue und Freundschaft und rief ihm namens des israelitischen Lehrervereins sowie des paritätischen allgemeinen bayerischen Brudervereins die letzten Abschiedsgrüße zu. Sein Andenken wird ein gesegnetes und dauerndes sein. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

  
  
Sonstiges 
Erzählungen aus dem jüdischen Bibergau - gefunden im Buch "Kleine Erlebnisse" von Siegfried Nassauer    
Anmerkung: Siegfried Nassauer war ein Enkel des Lazarus Sonnemann aus Biebergau (gest. 1882); Lazarus Sonnemann dürfte ein Sohn Seligmann Leser Sonnemann sein,  der bzw. dessen Witwe in der Matrikelliste von 1817 genannt wird (siehe oben). Seigfried Nassauer ist am 31. August 1868 in Würzburg geboren und am 3. März 1940 in Frankfurt gestorben. Er war als Zeitungsmann, Fachschriftsteller und Lokalhistoriker tätig. Weiteres zu ihm siehe  http://www.lagis-hessen.de/pnd/101968183. Die Publikation "Kleine Erlebnisse" hat 135 Seiten und ist vermutlich um 1930/35 im Verlag Voigt & Gleiber in Frankfurt am Main erschienen.    
Die Scans erhielten wir von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries.    

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Titel der Publikation von 
Siegfried Nassauer 
"Großvaters Ehekontrakt" handelt von Lazarus Seligmann Sonnemann aus Bibergau und Vogele Cohn aus Fürth 
vom September 1833; beide haben sich in Zürndorf trauen lassen, im Nachtrag unterzeichnet auch der Vorsänger Isaak aus Zürndorf  
   
  Bibergau Lit 20-08-09.jpg (214017 Byte) Bibergau Lit 20-10.jpg (68568 Byte) Bibergau Lit 20-134-135.jpg (89472 Byte)
  Die zweite Erzählung handelt gleichfalls von Lazarus Sonnemann: "Der muntere Lazarus"; 
rechts die Übersicht über weitere Erzählung aus dem Buch von Siegfried Nassauer   

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge           
   
Es ist nicht bekannt, wann die Synagoge in Bibergau erstellt wurde, vermutlich Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts. Näheres zum Aussehen der Synagoge erfährt man aus der Beschreibung von 1930 nach dem Brand des Gebäudes (siehe unten).  
 
Der letzte Gottesdienst wurde bei der Auflösung der jüdischen Gemeinde am 12. Juni 1907 gefeiert. Berichte hierzu liegen aus der Zeitschrift "Der Israelit" und dem "Frankfurter Israelitischen Gemeindeblatt" vor: 

Bibergau Israelit 20061907.jpg (102935 Byte)Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1907: "Dettelbach (Unterfranken), 18. Juni (1907): Am vergangenen Erew Rosch HaChodesch (gemeint 12. Juni 1907) fand in dem dreiviertel Stunden von hier entfernten Bibergau eine eigenartige Feier statt. Die dortige jüdische Gemeinde ist seit Jahren in starkem Rückgang begriffen und hat sich jetzt aufgelöst. Von einst mehr als 40 Haushaltungen sind nur noch zwei verblieben. So wurde die Gemeinde Bibergau der zu Dettelbach einverleibt. Am Erew Rosch HaChodesch fand man sich nun zu einem feierlichen Abschiedsgottesdienste in der altehrwürdigen Synagoge zusammen. Nach den üblichen Jom-Kippur-katan-Gebeten hielt Herr Lehrer Mannheimer von hier eine Ansprache, in der er die Bedeutung der denkwürdigen Stunde hervorhob. Ein Jahrhunderte altes Gemeindeleben fand seinen Abschluss. Bilder einer hehren Vergangenheit zogen am geistigen Auge der Anwesenden vorüber, die jetzt zum letzten Male die im altjüdischen Stil gehaltene Synagoge zum Ort ihrer Gebetsversammlung machten. Als man die heilige Lade zum letzten Male zu den Schemot öffnete und das Schma ("Höre Israel") ertönte, da fühlte jeder den ergreifenden Ernst dieser Abschiedsfeier. Und in Friedensakkorden klang sie aus: das älteste noch ortsansässige Mitglied verrichtete zum Schluss ein Kaddischgebet: man verließ den geweihten Ort mit der schönen Bitte "Oseh Schalom" usw. ("der Frieden schafft..."). - Kein Auge blieb tränenleer. In seiner Ansprache betonte Lehrer Mannheimer, dass die Gemeinde Dettelbach nicht ein 'froher Erbe' sei. Sie hätte gewünscht, dass die Schwestergemeinde noch lange freundnachbarlich neben ihr blühte. Sie sei sich wohl bewusst, ein heiliges Gut zu überkommen und damit auch heilige Pflichten. Mit tiefer Wehmut entnahm man dann der heiligen Lade die sieben Torarollen und brachte sie hierher. Der denkwürdige Akt wird jedem der Teilnehmer unvergesslich bleiben". 
 
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Juni 1906: "Dettelbach, Unterfranken...
Ähnlicher Bericht wie oben im Israelit.     

Das Synagogengebäude ist im Januar 1930 abgebrannt. Bei der Brandbekämpfung verletzte sich ein Feuerwehrmann aus Bibergau an einem rostigen Eisen und starb einen Monat später an einer Blutvergiftung. Über den Brand wurde in der Zeitschrift "Der Israelit" berichtet: 

Bibergau Israelit 13031930s.jpg (81607 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1930: "Bibergau bei Würzburg, 3. März (1930). Ein tragisches Ende fand die seit 1907 geschlossene, später in eine Scheune umgewandelte Synagoge. Sie wurde ein Raub der Flammen. Die vollgefüllte Scheune fiel rasch dem verheerenden Elemente zum Opfer. Leergebrannt ist die Stätte, auf der ehemals sich ein altehrwürdiges Bethaus erhob. Die Synagoge hatte den altjüdischen Baustil, je drei hohe Fenster auf den Längsseiten, zwei auf der Ostseite, den Steinalmemor in der Mitte, rückwärts die engvergitterte Frauensynagoge mit Separateingang. Auch Lehrerwohnung und Mikwah, ebenso die Kinderschule waren im Gebäude. Die massiven Steinlöwen des schönen Oraun-Hakodesch (Toraschreines) befinden sich heute über dem Eingang der Würzburger Nebensynagoge ('Mazzestub'). So ist mit dem Brande zugleich das letzte Wahrzeichen einer ehemals blühenden Landgemeinde erloschen. A.M." 

Vom Synagogengebäude ist nichts mehr erhalten. Im Mainfränkischen Museum in Würzburg befindet sich (im Depot) ein Steinlöwe, ein Teil des Aron Hakodesch (Toraschreins) der Synagoge, der sich (nach obigem Bericht) nach 1907 in der Würzburger Synagoge (Nebensynagoge) befand.   
   
   
Adresse/Standort der SynagogeMuckengasse 4. 
    
    
Fotos / Darstellungen    

Fotos oder Darstellungen sind keine vorhanden, Hinweise gegebenenfalls 
an den Webmaster von "Alemannia Judaica", Adresse siehe Eingangsseite
  

    
     

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Dettelbach  

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 272.  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 42.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 451.  
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 101-102.     

   
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Bibergau (in Jewish sources, Biberich) Lower Franconia. Jews are known from the late 17th century and numbered 131 (total 499) in 1816. The few remaining in 1907 were attached to the Dettelbach community and the last two were deported to Theresienstadt in September 1942.   
   
    

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 17. April 2020